Ich lief quer über unseren Hof, um das Tor für eine Kollegin zu öffnen, die mit ihrem Auto raus wollte. Einer vom neuen Vorstand der Moschee erblickte mich und rief fröhlich winkend lautstark quer über den Hof: "Mooooin, Björn!"
An ein so nettes Miteinander muss ich mich jetzt auch erst einmal gewöhnen.
Ganz überraschend klingelte es eben an der Tür hinten und einer unserer Nachbarn von der Moschee erkundigte sich, wie viele Leute wir gerade sind. Aktuell war war ein gutes Dutzend Mitarbeiter hier, aber nicht alle hatten Hunger oder haben sich an die somalische Küche herangetraut, aber immerhin fünf Portionen Reis mit Hühnchen haben ihren Weg zu uns gefunden.
Wenn das so weitergeht, werden wir alle noch dick und rund.
Unsere neuen Nachbarn, die neuen Eigentümer der Moschee, feiern heute eine große Einweihungsfeier. Dazu hatten wir uns vor Wochen schon darauf geeinigt, dass sie die gesamte Fläche vom Hof als Parkplatz nutzen dürfen. Nach Absprache ist das ja auch kein Problem und auch wenn mein Auto aktuell hinter einem Dutzend anderer Wagen steht, so soll heute am frühen Abend alles wieder frei sein. Wird schon klappen.
Blöd geguckt haben wir eben, als es hinten an der Lagertür klingelte und sie uns zwei große Tabletts voller Essen gebracht haben. Einige Portionen mit Gemüsereis, Lamm und Hühnchen, Salat, gefüllte Teigtaschen und Kuchen. Wir sind zwar hier aktuell nur fünf Leute im Laden und haben ob der gebrachten Menge große Augen gemacht, aber das wird schon alle werden. Eine Portion habe ich mir gerade selber einverleibt. Sehr lecker, so schmeckt es also in Somalia. Kulinarisch könnte ich mich dran gewöhnen.
Zwei Männer haben zwei alte Heizkörper aus dem Moscheegebäude nebenan abtransportiert. Die beiden Radiatoren wiegen nun nicht hunderte Kilo, aber die beiden Männer haben den großen nur mühsam auf den Wagen bekommen. Keine Ahnung, wie stark die beiden waren, aber figürlich eher keine Schwarzeneggers. Ich bezweifle auch, dass die beiden Heizungen zusammen die 150 kg überschritten haben. Aber der Penny-Einkaufswagen hat den Job ohne Murren erledigt:
Das Gebäude hier nebenan soll und wird auch weiterhin als Treffpunkt und Raum für religiöses Miteinander dienen, wie auch schon in den vergangenen knapp 30 Jahren. Die alte Mosche gehörte zur IGMG (Islamische Gemeinschaft Milli Görüs) und war daher überwiegend türkisch geprägt. Die neuen Betreiber stammen aus Somalia und sind nun innerhalb der Neustadt vom alten und offenbar deutlich kleineren Domizil, das rund einen Kilometer entfernt liegt, hierher umgezogen. Religion ist etwas, das jeder mit sich selber ausmachen sollte, weshalb ich mit dem Islam, der ja nun knallhart die Lebensweise seiner Anhänger vorgibt, überhaupt nichts anfangen kann. Aber gut, muss ja jeder selber wissen. Da werde ich auch zukünftig nur Beobachter sein.
Gestern haben der Vorstand des "Somalischen Kulturvereins Bremen" und ich eine Weile miteinander gesprochen. Während in der Vergangenheit bei meinen alten Nachbarn die Floskel "auf gute Nachbarschaft" zumindest gefühlt immer darauf abzielte, möglichst irgendwelche Eingeständnisse von mir zu bekommen, Parkfläche nutzen und Zelte aufbauen beispielsweise, so scheint das jetzt durchaus ernst gemeint zu sein. Vor allem wollen sie dafür sorgen, dass dieses Autochaos hier auf dem Gelände verhindert wird. Das Tor (an der Straße) soll überwiegend geschlossen bleiben und nur ihre eigenen wenigen PKW sollen direkt hier auf dem Gelände parken. Das klingt gut.
Dass dann mal unser Hof tatsächlich für die eine oder andere einzelne Veranstaltung mit vielen Besuchern genutzt werden kann, wollte ich in dem Zusammenhang nicht pauschal ausschließen. Die Einweihungsfeier könnte eine Feuerprobe werden, für einen (!) Tag soll ein großes Zelt hier stehen.
Wenn es darauf hinausläuft, dass einem auch die neuen Eigentümer des Gebäudes am Arm reißen, wenn man nur einen kleinen Finger hinhält, dann bleibt die Stimmung frostig. Aber nach dem Gespräch gestern bin ich derzeit zumindest sehr optimistisch, dass sich das tatsächlich zu einer netten Nachbarschaft entwickeln könnte. Es würde mich ehrlich freuen.
Kennt man gar nicht, dass das Moscheegebäude an einem Samstagabend vollkommen verlassen und dunkel da steht. Aber die neuen Eigentümer sind schon eingezogen (oder dabei) und langsam kommt wieder Leben in die Bude.
Aber immerhin: Diejenigen, die ich bislang kennengelernt habe, sind sehr nett und wir haben von Anfang an klargestellt, dass die Ausfahrt immer frei bleiben muss. Zumindest dann, wenn ein Auto bei uns auf dem Hof steht. Sprüche wie "Der betet gerade und ist in 10 Minuten wieder weg" würden nur zu nachhaltigem Stress mit uns führen, da wir ein uneingeschränktes Wegerecht über deren Grundstück haben. Man kann die Neuen ja gleich richtig eichen.
"Mach doch ein Schild an den Zaun, dass die Einfahrt freizuhalten ist", wurde mir bereits mehrfach geraten. Ehrlich? Das Schild könnte 2x2 Meter groß und in 20 Sprachen beschriftet sein, rot leuchtend mit Blitzlicht und Glöckchen dran – und trotzdem würden die Leute davor parken. Respektlosigkeit ist keine Sache von Sprachverständnis sondern von einer grundsätzlichen Haltung gegenüber seinen Mitmenschen. Mehr sag ich dazu nicht.
Wenn der Gebetsdruck so groß ist, dass man sein Auto einfach da stehen lässt, wo man gerade steht und sich dann 20 Minuten nicht blicken lässt, dann ist man möglicherweise aus seiner eigenen Sicht sehr gläubig, aber eben auch ein riesiges Arschloch.
In den Gebetsraum zu laufen und nach dem Fahrer zu fragen, wäre vermutlich nicht zielführend gewesen und hätte unterm Strich mit hundertprozentiger Sicherheit mehr Stress als Nutzen verursacht – also wartete ich zähneknirschend im Auto. Nicht ohne dabei für die Dropkick Murphys aus dem CD-Player den Lautstärkeregler auf den Anschlag zu drehen. Als der Typ, der den Wagen dort stehengelassen hatte, einsteigen wollte, sprang ich aus dem Wagen und wollte ihn mal auf so ein rücksichtsloses Verhalten ansprechen. Hat ihn aber gar nicht interessiert, er murmelte wortwörtlich irgendwas in seinen Bart, stieg ein und warf den Rückwärtsgang rein.
Unser Zaun wird sowas natürlich auch nicht verhindern können, aber wenigstens stelle ich solchen Leuten damit nicht auch noch zusätzlichen kostenlosen Parkraum zur Verfügung.
Vor ein paar Jahren tauchte hier im Umfeld der Moschee ein Mann auf, den wir immer "Der Bombenleger" genannt haben. Der Typ war ziemlich heruntergekommen, wühlte auch immer bei uns hinten im Müllcontainer und gab häufig reichlich gammeliges Leergut ab oder versuchte dieses auch mit nicht bepfandeten Gebinden, die er vermutlich irgendwo gefunden hatte. Seitdem wir ihn mal vor einiger Zeit bei einem Ladendiebstahl hier erwischt haben, hatte er auch Hausverbot bei uns.
Wer genau damit angefangen hat, weiß ich nicht mehr, aber irgendwann fiel der Begriff "Bombenleger". Das rührte wohl daher, dass er zum einen oft mit irgendwelchen Tüchern und Gewändern bekleidet war, andererseits oft einen "irren Blick" hatte und grundsätzlich nie verbal kommunizierte. Man hätte wirklich vermuten können, dass er sich gleich in die Luft sprengen wollte. Faszinierend, dass ich das noch nie hier festgehalten habe.
Im Rahmen der Gespräche rund um den Auszug der Moschee und dem möglichen Verkauf des Gebäudes an mich, lief der Typ auch während eines dieser Treffen hier mal wieder über den Hof. Einer vom Moschee-Vorstand verdrehte die Augen und winkte wenig begeistert mit einer Hand ab. Der Mann ist oder war nämlich nicht nur bei uns unbeliebt. Die Moschee hat ihn zwar immer mehr oder weniger geduldet, man ist schließlich als Gotteshaus offen für alle und erteilt niemandem Hausverbot – aber selbst in den Räumlichkeiten meiner Nachbarn hat der Mann lange Finger gemacht, indem er sich an den vielen Spendendosen vergriffen hat, die dort überall aufgestellt sind. Unfassbar.
Es ist Samstag Abend und auf dem Hof steht außer dem Wagen einer Kollegin nicht ein einziges Auto. Das haben wir in all den Jahren vermutlich auch noch nie gehabt.
Ursprünglich hieß es ja, dass sie zu "Ende Oktober" ausziehen werden. Vielleicht ist der Umzug mit den wesentlichen Teilen ja auch schon ins neue Gebäude geglückt. Ein paar Leute sind aber auf jeden Fall immer wieder noch im Gebäude und räumen vermutlich auf oder packen Sachen zusammen. Gerüchteweise sollen die Nachfolger auch erst im Januar einziehen. Aber das werden wir ja sehen …
Diesen Anblick werden wir wohl zukünftig nicht mehr haben. Die Moschee ist augenscheinlich ausgezogen, zumindest ist ein Großteil der Aktivitäten wohl schon ins neue Gebäude verlagert worden. Auch die samstäglichen Aktivitäten mit vielen Kindern haben zumindest in der letzten Woche schon nicht mehr stattgefunden. Da bin ich zugegebenermaßen nicht undankbar.
Interessant ist es, wie es hier jetzt weitergeht. Ich weiß nichts davon, dass es schon einen Käufer für das Gebäude gibt. Wenngleich sie mir das natürlich auch nicht mitteilen müssen. Vielleicht kommen sie ja doch noch irgendwann auf mich zu und greifen meine Verhandlungsbasis noch mal auf. Dann brauchen wir doch noch ein paar gute Ideen, was man mit der Hütte anfangen könnte.
Hier im Bereich der Einfahrt zum Hof steht ein alter Fahrradständer von der Moschee. Keine Ahnung, warum ich überhaupt darauf geachtet hatte, aber das Fahrradschloss soll wohl eher durch Abschreckung als durch ernsthaften Schutz vor einer Wegnahme des Fahrrads schützen. Der Drahtesel war ohnehin eher eine alte Mähre und sich selbst damit der beste Schutz vor Diebstahl.
Das sieht zwar auf den ersten Blick angeschlossen aus, aber …
Bei der Moschee waren wohl Kaufinteressenten für das Gebäude zu Besuch. Eine bei uns auf der Rampe pausierende Kollegin hatte ein paar Gesprächsfetzen aufgeschnappt, in denen jemand den Interessenten auch ein paar Dinge über unseren Hof erzählt hat. Unter anderem sehr eindringlich, dass die Fläche ausdrücklich nicht zu deren Gebäude gehört und dementsprechend nicht genutzt werden kann und darf.
Stellen wir fest: Vom Grundsatz war das also eine bekannte Information.
Der Zaunbaufirma meines Vertrauens habe ich gerade eine Mail geschrieben. Die sind zwar momentan noch im Urlaub und werden sich erst in zwei Wochen bei mir melden können, aber auf ein paar Tage kommt es nun auch nicht mehr an.
Die Idee, unseren Teil des Innenhofes mit einem Zaun vollständig abzutrennen, möchte ich nun doch umsetzen. Habe es in der Vergangenheit für das harmonischere Miteinander vor mir hergeschoben, weil ich damit keine Kriegserklärung gegen meine Nachbarn ausdrücken wollte – aber wenn die Moschee nun auszieht und das Haus verkauft wird, kann man ja gleich mit den neuen Eigentümern die Fronten klären. Vor allem wird unabhängig davon der Zaun als zusätzliche Barriere auch etwas mehr Schutz vor Vandalismus und Einbrüchen bieten.
Dann besteht zukünftig zwar immer noch die Problematik, dass wir ggf. um unser Überwegungsrecht kämpfen müssen, aber das ist dann nur noch eine kleine Baustelle, die man auch ggf. mit einer einstweiligen Verfügung durchsetzen kann. Aber so weit sind wir ja noch nicht …
Seit ein paar Wochen haben wir uns das Hirn darüber zermartert, was man mit dem Nachbargebäude anfangen könnte. Es "einfach so" des Habens wegen zu kaufen ist natürlich völliger Unsinn. Es hätte irgendwie einen Nutzen haben müssen, idealerweise wäre der Kaufpreis durch die Nutzung irgendwann wieder reingekommen.
Wie ich hier schon schrieb, ist es als Erweiterung unserer vorhandenen Flächen nicht zu nutzen. Die nächste Idee war, dort Studentenwohnungen zu schaffen. Aber auch das wäre maximal mit extremen Kompromissen umsetzbar gewesen, da die komplette Rückwand als Brandwand ausgelegt ist und keinerlei Fenster erlaubt sind. Okay, außer man möchte die Appartements mit extrem teuren, wenig ansehnlichen und dazu nicht zu öffnenden F90-Fenstern ausstatten. Elegant wäre das alles nicht gewesen.
Nun habe ich eine Anfrage bekommen, ob ich mich bereits entschieden habe. Es gäbe wohl einen ernstzunehmenden Interessenten für das Gebäude, aber sie wollten mich natürlich zuerst fragen. Ich lehnte dankend ab, gab aber noch ein Angebot mit auf den Weg, dass sie für alle Fälle im Hinterkopf behalten sollten: Falls in absehbarer Zeit doch kein Verkauf zustande kommt und sie das Objekt unbedingt loswerden wollen: Für den reinen Grundstückspreis würde ich es auf jeden Fall nehmen. Dann könnte man das sanierungsbedürftige Gebäude nämlich schlichtweg abreißen und neu bauen und dann gleich alles vernünftig machen.