Ein junger Mann stand etwas verloren an der Lagertür und bat um Hilfe. Er hatte bei uns eine Netflix-Guthabenkarte gekauft und war etwas überfordert damit, das Guthaben seinem Konto zuzuführen.
Ich ging zu ihm hin und erklärte so langsam, dass er die einzelnen Schritte an seinem Smartphone nachvollzeiehn konnte: "Geh in die Netflix-App, dann in deine Account-Einstellungen …"
Den Hinweis, dass er dann auf den Menüpunkt "Guthaben aufladen" (oder so ähnlich) gehen kann, bekam er gar nicht mehr, dann nach "Account-Einstellungen" unterbrach er mich: "Ich habe keinen Netflix-Account."
Joah, das machte es für den Augenblick geringfügig komplizierter.
Ich sagte ihm, dass er den Account erst einmal anlegen muss, das aber besser in Ruhe zu Hause erledigen solle. Das wollte ich ihn, ohnehin gerade hoffnungslos überfordert, nicht auch noch zwischen Tür und Angel machen lassen.
Ein Kunde sprach mich im Laden an, er suchte Sprühsahne.
Da konnte ich unkompliziert helfen: Das gewünschte Produkt stand nämlich in Sichtweite hinter ihm und so machte ich mit einem Arm eine zeigende Geste, während ich ihm erklärte, dass wir dort eine große Auswahl hätten. Markenprodukt und Eigenmarke, fettarm, laktosefrei und sogar eine vegane Sprühsahne sei dabei.
Das Wort "vegan" hat den guten Mann wohl getriggert und tiradenartig klärte er mich geradezu hasserfüllt darüber auf, dass es "vegane Sahne" gar nicht geben kann, da Sahne grundsätzlich aus Milch besteht und nicht aus irgendwelchen Ersatzprodukten.
Es war aber auch sehr leichtsinnig von mir, diesen Ausdruck zu verwenden. "Vegane Sahne" gibt es genau wie "Erdbeermarmelade" schließlich gar nicht. Höre ich da gerade Protest, weil ihr euch jeden Morgen Erdbeermarmelade aufs Brötchen schmiert? Nun, lebensmittelrechtlich muss "Marmelade" aus Zitrusfrüchten bestehen. Bei Erdbeeren hat man "Erdbeerkonfitüre" oder qualitativ weniger anspruchsvoll "Erdbeerfruchtaufstrich" vor sich. Aber "Erdbeermarmelade" sagt trotzdem jeder, auch wir hier auf der Fläche.
Die Folienverpackung einer frischen Pizza aus dem Kühlregal lag in einem der Gänge hier vor dem Regal auf dem Fußboden. Bei solchen Funden ist es oft so, dass jemand den Inhalt eingesteckt oder sogar einfach verzehrt hat – und so ging ich ins Büro und sah mir das mal auf der Videoaufzeichnung an.
Keine Ahnung, wieso jemand eine nur halb durchgebackene Pizza sich kalt in die Figur drücken sollte, aber man hat ja nun schon alles gesehen.
Das war es aber nicht. Die Folie kam folgendermaßen auf den Fußboden:
Ein junger Mann betrat den Laden und schlich etwa eine Minute wie ziellos durch den Laden. In einem der Gänge griff er plötzlich in seine Umhängetasche und zog das zusammengeknüllte Stück Folie heraus, das er in seiner Hand zu verbergen versuchte. Vorsichtig und umsichtig, fast wie ein Ladendieb, sah er sich um und als er unbeobachtet war, hockte er sich vor eines der Regale, legte die zusammengeknüllte Folie zwischen seinen Beinen auf den Boden und nachdem er noch ein paar Augenblicke die Ware vor seiner Nase begutachtet hatte, stand er auf, sah sich noch etwas weiter um und verließ den Gang wieder.
Danach suchte er sich wie jeder andere Kunde ein paar Produkte zusammen, bezahlte seinen Einkauf und verließ den Laden wieder.
Was die Aktion mit der Folie sollte, werden wir wohl nie erfahren …
Eine Kundin in den fortgeschrittenen 80ern kam völlig aufgelöst an die Lagertür. Sie wollte gerade ihren Einkauf bezahlen und hat dann festgestellt, dass man ihr das Portemonnaie aus der Tasche entwendet hat.
Im Geiste machte ich ihr Vorwürfe. Man lässt seine Wertgegenstände nicht unbeaufsichtigt und das Schild an der Tür ist doch nicht aus rein dekorativen Zwecken da. Aber das sagte ich natürlich nicht, zumal sie mir in dem Moment auch ehrlich leid tat. Sie war völlig fertig und mit der Situation völlig überfordert. Karten sperren, Anzeige bei der Polizei … Ich konnte ihr nicht viel helfen, aber sie wollte sich an eine Bekannte wenden und das alles mit ihr zusammen machen.
Während sie weg war, sicherte ich schonmal vorab die Videoaufzeichnung auf einem USB-Stick. Die alte Dame war rund eine dreiviertel Stunde hier im Laden, diese Zeit mal 22 Full-HD-Kameras ergibt viel Videomaterial, dessen Sicherung auf dem Stick auch rund eine dreiviertel Stunde dauerte.
Als ich gerade fertig war damit, kam die Frau mit einer Begleiterin wieder an die Lagertür und lachte dabei erleichtert. Ihr Geld war gar nicht gestohlen worden, sie hatte ihre Börse zu Hause auf dem Küchentisch vergessen.
So viel Aufregung für nichts. Aber unterm Strich ist es so natürlich für alle Beteiligen deutlich besser als andersherum.
Auf einer unserer Tiefkühltruhen mit Eis klebte ein kleiner Notizzettel, den dort jemand mit zwei Streifen Tesafilm hingepappt hatte: "Bitte Buttermilch-Zitronen-Eis-Hörnchen (im 6-er Pack) bestellen."
Na, da hätte uns die Kundin oder der Kunde aber auch persönlich ansprechen können, statt uns mit so einer Nachricht zu überraschen. Wir beißen doch meistens gar nicht und wenn irgendwie machbar, bestellen wir gewünschte Produkte auch immer gerne mit.
Drei Jugendliche waren im Laden, jeder von ihnen schob ein nicht ganz kleines Fahrrad neben sich her. Spätestens im Wartebereich vor der Kasse wurde es dann auch extrem eng, leider fielen sie mir auch da erst auf.
Ich ging zu dem Trio und bat darum, die Räder beim nächsten Einkauf bitte draußen stehen zu lassen. Dass keiner von ihnen ein Schloss hat, verstehe ich durchaus (ich habe nämlich selber keines an meinem Rad um gar nicht erst in die Versuchung zu kommen, das teure Vehikel irgendwo unbewacht stehen zu lassen), aber da hätte man ja einen der drei als Aufpasser zurücklassen können. "Oh, ja, stimmt", stellten sie fest. Hätten sie aber auch selber drauf kommen können.
Eine ältere Stammkundin, der man das Alter leider auch inzwischen anmerkt und die immer tüdeliger wird, sprach Ines an mit den Worten, dass sie gerne mal jemanden von der Geschäftsleitung gesprochen hätte.
"Och", lächelte Ines, "da bin ich ja der richtige Ansprechpartner."
"Nein, jemanden von der richtigen Geschäftsleitung", forderte die Frau nachdrücklich.
"Ja, das habe ich verstanden. Aber da kann ich Ihnen im Moment von allen anwesenden Kollegen hier wirklich am besten weiterhelfen."
Die Frau war etwas unsicher, erzählte Ines dann aber doch, was ihr auf der Seele lag. Sie findet es nämlich eine Unverschämtheit (von uns (also der Edeka)), dass wir hier Tengelmann und Kaiser's aus dem Stadtteil regelrecht weggemobbt hätten. Eigentlich müsste man das ja boykottieren, aber wo sollte sie denn sonst hingehen? Wir sind zwar nicht der einzige Laden hier in der Neustadt aber alle anderen sind zu weit weg für sie.
Ines nickte zustimmend und nahm die Kritik ("Wollte ich nur mal loswerden …") ansonsten ohne weiteren Kommentar zur Kenntnis. Wir haben ganz bestimmt niemanden weggemobbt, nur durch den Auszug von Tengelmann/Kaiser's wurde der Laden hier ja erst frei. Und erst dadurch war es endlich möglich, damals für meine Existenzgründung passende Räumlichkeiten zu finden. Und nebenbei bemerkt ist es inzwischen auch schon 26 Jahre her, dass Kaiser's den Standort hier freiwillig aufgegeben hat. Und "Tengelmann" wurde sowieso nie "vertrieben", das war schließlich nur eine interne Umbenennung innerhalb der Tengelmann-Gruppe zu "Kaiser's", aber das wiederum noch einige Jahre länger her.
Ein Kunde stand an der Kasse, auf dem Förderband lag neben einer Schachtel Zigaretten noch ein Sechserträger Mineralwasser unserer Eigenmarke. Der Gesamtverkaufswert betrug keine 15 Euro.
Noch während er wartete, zog der Mann aus seiner Gesäßtasche ein etwa drei Zentimeter dickes Geldbündel, das überwiegend aus braunen (50er) und grünen (100er) Banknoten bestand. Ein paar kleinere Scheine waren auch noch dabei, mit einem Zehner und einem Fünfer bezahlte er seinen Einkauf und ließ das Wechselgeld noch mit einer großmütigen Handbewegung zurück: "Passt so."
Als es ans Bezahlen ging, fächerte er das Bündel noch demonstrativ auf, als wenn er sich erst einmal orientieren müsste, ob das Geld für den Einkauf überhaupt ausreicht. Da das wohl locker 10-15k € in seiner Hand waren, was ihm auch vorher schon klar war, war die Aktion reine Angeberei.
Warum machen Leute sowas? Wen wollte er damit beeindrucken? Meine Mitarbeiterin an der Kasse? Statt Anerkennung bekam er gar keine Reaktion außer der üblichen Kassenroutine. Hoffentlich hat das sein armes, kleines Ego nicht völlig zerstört.
Ein Mann war mit einem etwa vierjährigen Jungen im Laden und kaufte ein. In welchem Verhältnis die beiden zueinander standen, erschloss sich uns nicht, ist aber eigentlich auch egal. Offenbar war er jedoch nicht der Vater.
Sie blieben bei den Kühlregalen vor dem Segment mit den veganen Produkten und Käsealternativen stehen und der Junge fragte ganz aufgeregt: "Ist das Käse? Ist das Käse?"
Der Mann druckste erst etwas herum antworte dann zu Ines' großer Verwunderung etwa folgendermaßen: "Ja, schon … Käse kann man das nicht nennen. Aber deine Eltern möchten, dass du das isst."
Zwei junge Männer kauften bei uns ein. In dem Moment, als eine Kollegin gerade zufällig in ihrer Nähe war, sagte der eine zum anderen in energischem Tonfall: "Mann, ich HASSE diesen Laden!"
Soll ich mir das zu Herzen nehmen? Immerhin waren sie bei uns und das, obwohl an der Ecke ein Penny-Markt ist und wir drei nette REWE-Märkte hier im Stadtteil haben.
Ein Mann wollte mal schnuppern, wie die von uns angebotenen Lufterfrischer wohl duften. Um das herauszufinden, kann man eine Ecke der Folie vorsichtig anheben und hinterher wieder draufdrücken. Im Idealfall, wenn einem das Aroma zusagt, kauft man dann sogar genau diesen Artikel.
Man kann es natürlich auch machen, wie dieser Kunde: Die Folie komplett abreißen und nach dem Schnüffeln eine ungeöffnete Packung nehmen und die geöffnete nach hinten ins Regal werfen, so dass das Gel mit dem Duftstoff unbemerkt vertrocknen kann …
Früher natürlich auch schon nicht, aber spätestens seit Altpapier kein wertvoller Sekundärrohstoff ist, für den man auch noch entlohnt wird oder das einem zumindest kostenlos abgeholt wird, sondern man für die Entsorgung bezahlen muss, ist man über jeden Karton froh, den jemand einfach so mitnehmen möchte. Das nur am Rande.
Wenn Kunden einen bestimmten Karton aus den Regalen haben möchten, dann nehmen sie sich ihn meistens. Wenn die Ware dann ohne Karton hier im Markt steht – prima, denn grundsätzlich wollen wir keine Kartonplatzierung. Manchmal geht es nicht anders, weil die Artikel ohne die Pappe drumherum gar nicht oder nur mühsam in den Regalen platziert werden können. Dazu gehören zum Beispiel die kleinen Röllchen mit Brausetabletten. Genau einen dieser Kartons wollte ein Kunde haben und damit der Karton leer wird, hat er die Rollen überall, wo gerade Platz war, im Regal mit den freiverkäuflichen Arzneimitteln verteilt. Hätte er sie wenigstens dort hingelegt, wo sie vorher im Karton der Begierde standen, aber nein, das wäre ja zu einfach gewesen.
Statt mich aufzuregen und den Mann zur Rede zu stellen, schreibe ich meinen Frust über so ein Verhalten gerade kopfschüttelnd in diese Zeilen.
Eine Kundin rief an und wollte wissen, ob wir noch fünf Stück eines bestimmten Produkts vorrätig hätten. Ich lief zum Regal und sah nach. "Ja, fünf sind es auf jeden Fall, da stehen aber noch ein paar mehr Gläser dahinter."
Ich nahm mir vor, es freundlich wegzulachen, falls sie fragen sollte, ob ich ihr fünf der Gläser zurückstellen kann. Wenn sie gleich kommt, wird bestimmt noch genügend da sein.
"Danke, dann komme ich in den nächsten Tagen mal vorbei", sagte sie und legte auf.
Dann aber nicht enttäuscht sein, wenn doch nicht mehr genügend da ist.
Ich wunderte mich darüber, dass ein ganzer Karton Einmalwaschlappen mitten im Gang vor dem Regal mit den Hygieneprodukten lag. Sowas fällt doch nicht von alleine aus dem Regal und wenn der Karton jemandem runtergefallen wäre, hätte der- oder diejenige das doch sicherlich gemerkt und ihn wieder aufgehoben …