… und dann war da noch die ältere Frau, die sich nicht so gut bücken kann und ihre Ware einfach aus Bauchhöhe in den Korb ihres Rollators fallen lässt. Ich hatte zufällig auf den Monitor der Überwachungsanlage geguckt, als mir die hüpfenden Äpfel aufgefallen waren. Nach diesen beiden folgten noch einige mehr und es sah schon wirklich recht kurios aus.
Solange sie sich nicht über die Druckstellen beschwert, ist alles gut.
Eine Kundin rief an und erklärte, dass sie "vor ein paar Tagen" mehrere Becher Joghurt bei uns gekauft hat. Nun würde sie die jedoch gerne einige davon zurückgeben, denn inzwischen haben sie nur noch drei Tage MHD und bis dahin könne sie die auf gar keinen Fall alle essen.
Warum wir die Becher nicht zurückgenommen haben, kann sich vermutlich jeder denken. Wir wissen nicht, wie die gelagert wurden, weshalb wir kühlpflichtige Produkte generell nicht zurücknehmen. Von berechtigten Reklamationen natürlich mal abgesehen.
Mein Mitarbeiter erklärte ihr, dass es ja auch nur ein Mindesthaltbarkeitsdatum ist und sie die Produkte bei korrekter Lagerung auch noch darüber hinaus sorgenfrei konsumieren kann. "Verlassen Sie sich auf Ihre Sinne", sagte er ihr, "Sehen, riechen, schmecken. Wenn der Joghurt noch gut aussieht, gut riecht und auch gut schmeckt, können sie ihn doch bedenkenlos essen."
Eben.
Unser Kundenservice geht ja weit, aber da ist dann auch bei uns mal Schluss.
Vor dem Regal mit Toilettenpapier stand einer unserer grauen Einkaufskörbe leer auf dem Boden. Das ist immer verdächtig, viele Ladendiebe haben die Masche, einen scheinbar unauffälligen Einkauf vorzutäuschen und stecken dann die Sachen irgendwo in einem der Gänge in ihre Tasche und lassen den Korb dann stehen. Ich ging also ins Büro und guckte mir auf der Videoanlage an, wie der Korb dort hingekommen war. Dabei stellte ich mich bereits darauf ein, zuzusehen, wie irgendwas geklaut wird, wie jemand den mit Schokolade, Käse oder Kaffee gefüllten Korb in einen mitgebrachten Rucksack umfüllt. Dem war aber gar nicht so.
Eine Frau betrat den Laden, nahm sich den Korb, lief einmal eine Runde durch den Laden bis ganz hinten hin, durch einen der Gänge in der Getränkeabteilung, direkt zum Hygienepapier, stellte den Korb dort ab, nahm sich eine Packung Toilettenpapier, ging zur Kasse, bezahlte diese und verließ den Laden.
Was der Korb und der Umweg durch den Laden sollte, sie wirkte wohlgemerkt dabei nicht so, als wenn sie das Toilettenpapier oder überhaupt irgendetwas suchen würde, kann ich beim besten Willen nicht sagen.
Aber dafür gibt es ja nur eine Erklärung: Wollte nur ins Blog.
Eine Kundin rief an, da sie 20 Euro vermisste. Sie hatte für knapp 25 Euro eingekauft, aber nur 20 Euro Bargeld in Form einer blauen Banknote mit den Abbildungen gotischer Fenster dabei. Da sie kein Teil zurücklassen wollte, hatte sie dann den gesamten Einkauf mit ihrer Bankkarte bezahlt und, so ihre Aussage, den zuvor bereits meinem Mitarbeiter übergebenen Geldschein hier wohl vergessen.
Da der Vorgang keine halbe Stunde her war, ließ sich der Sachverhalt problemlos in der Videoaufzeichnung nachverfolgen.
Ja, sie hatte einen 20-Euro-Schein schon meinem Mitarbeiter gegeben, während sie noch nach weiterem Bargeld suchte. Nachdem sie die Suche abgebrochen hatte und ihre ec-Karte aus dem Portemonnaie zog, legte der Kassierer den Schein auf den Kassentisch und Augenblicke später noch den Kassenbon dazu. Eindeutig zu sehen war, dass die Kundin beide Papiere ergriff und mitnahm, bevor sie aus dem Sichtfeld der Kamera verschwand.
"Wo Sie das Geld gelassen haben, weiß ich natürlich nicht", erklärte ich ihr, "aber ich kann Ihnen hier und jetzt mit hundertprozentiger Sicherheit sagen, dass Sie die Euro von meinem Mitarbeiter zurückbekommen und auch mitgenommen haben." Mit einem Lächeln in der Stimme und um der Aussage etwas Nachdruck zu verleihen, ergänzte ich noch, dass ich das sogar vor Gericht unter Eid aussagen würde.
Es hatte dennoch den Anschein, dass sie mir nicht glaubt, obwohl die Faktenlage absolut eindeutig war. Die Reaktion der Anruferin wirkte jedenfalls gleichermaßen enttäuscht wie ungläubig und vermutlich sind wir jetzt mal wieder die Bösen, die sich einfach am Eigentum fremder Leute bereichern.
Ein Mann hatte fünf Pakete Kaffee geklaut, hatte beim Verlassen des Ladens den Alarm der Warensicherungsanlage ausgelöst und damit die Aufmerksamkeit meiner Mitarbeiter auf sich gezogen. Ein Kollege rannte hinter ihm her und konnte den Dieb in der Seitenstraße stellen. Zwei andere Männer halfen ihm schließlich, den Täter bis zum Eintreffen der Polizei festzuhalten. Einer davon ist Stammkunde bei uns und kommt quasi täglich.
Als ich ihn am nächsten Tag ansprach und mich bedankten wollte, winkte er ab. Selbstverständlich sei das doch, schließlich würde er unseren Laden und uns alle so toll finden und wenn uns jemand beklaut, sei das das Allerletzte. Flasche Wein, anderen Alkohol, Pralinen etc. wollte er alles nicht. Okay, dann hier noch mal ein fettes Dankeschön!
Ein Kunde bezahlte ein paar Teile. Hinter seinem Einkauf lagen noch mit einem kleinen Abstand drei Leergutbons auf dem Förderband der Kasse. Sicherheitshalber erkundigte sich mein Mitarbeiter bei dem Kunden, ob die Bons auch ihm gehören würden. Dieser sah auf, schüttelte den Kopf und verneinte. Er bezahlte und ging.
Der Kunde hinter ihm stritt auch ab, die Leergutbons dort hingelegt zu haben.
Später begutachteten wir die Szene in der Videoaufzeichnung und dort stellte sich zweifelsfrei heraus, dass die Leergutbons definitiv vom ersten Kunden dort abgelegt wurden. Das passte auch, denn nur wenige Minuten zuvor hatte er Leergut an unserem Automaten abgegeben und dort in drei Anläufen die drei Bons bekommen.
Insgesamt handelte es sich dabei um eine Summe in Höhe von knapp sechs Euro, die natürlich den Weg in die Pfandspendenbox pfanden, äh, fanden.
Vor Weihnachten hat mich eine Stammkundin angesprochen und gefragt, ob ich eine ganze, frisch geräucherte Forelle haben möchte. Einer ihrer Arbeitskollegen räuchert selber, aber zwei würde sie beim besten Willen nicht schaffen.
Den Fisch haben wir gerne angenommen. "Kann ich dir irgendwas Gutes tun? Einen Wein, Sekt, Pralinen oder irgendeine andere Leckerei?", fragte ich.
Nein, wollte sie nicht. Sie wollte sich einfach mal erkenntlich zeigen für das, was wir hier täglich leisten und dass wir immer so nett sind. (Die Schokolade, die sie haben wollte, durfte sie dann schließlich doch unbezahlt mitnehmen.)
… und dann war da noch der Mann, der ohne Verband oder sonstige Bedeckung mit einer offenen und etwa 8 Zentimeter durchmessenden (!) Stelle am Schädel seinen Einkauf erledigte. Gerade so, als wäre es das Selbstverständlichste auf der Welt, eine schwere Infektion mit augenscheinlich schon nekrotischem Gewebe, durch das schon an einigen Stellen der Schädelknochen zu sehen ist, zur Schau zu tragen.
Merkt man sowas irgendwann nicht mehr? Interessiert einen sowas irgendwann nicht mehr? Fehlt der Antrieb, sowas behandeln zu lassen? Oder fehlt da jemandem das Vertrauen in die Ärzte? Ist das mutwillige Ignoranz oder völlige Hilflosigkeit? Stand der Mann, der aber augenscheinlich noch Herr seiner Sinne war, so sehr unter BTM oder Alkoholeinfluss? Das werden wir wohl alles nie erfahren.
Ein befreundeter Notfallsanitäter mutmaßte sogar, dass wir den Mann eigentlich gar nicht wieder hätten gehen lassen dürfen – unterlassene Hilfeleistung etc. Nun ist es aber so, dass dieser Mann nur kurz an der Kasse überhaupt Kontakt mit einem meiner Mitarbeiter hatte und der Kunde so schnell wieder raus war, dass erst gar keine Zeit für derartige Überlegungen blieb. Zumal man sich ja bei Menschen, die augenscheinlich ohne fremde Hilfe einkaufen gehen können, auch nicht wirklich Gedanken über eine mögliche Hilflosigkeit macht.
Seine Beurteilung des Mannes anhand der Bilder hier bei uns:
Im Großen und Ganzen hätte er ein Schockraum in der Klinik bekommen. Das volle Programm. Da die Ursache nicht bekannt ist müsste ich vom schlimmsten ausgehen und einen Sturz mit Skalpierung in Betracht ziehen, was sehr wahrscheinlich auch das Hirn stark in Mitleidenschaft gezogen hat. Dementsprechend Respekt das er noch ganz „normal“ einkaufen gehen kann.
Ach, und noch etwas: Er hat diese Bilder spontan auf Platz 1 seiner persönlichen Liste der Dinge verortet, die er in seinem Leben lieber nicht gesehen hätte.
Dementsprechend verzichte ich auch hier auf Bildmaterial.
Unsere Regale sind normal hoch, glaube ich. Vielleicht auch etwas höher als im durchschnittlichen Supermarkt, aber darauf hatte ich in anderen Märkten zugegebenermaßen noch nie bewusst drauf geachtet. Auf jeden Fall sind sie nicht "zu hoch", also ich mit meinen 1,85 Metern komme im obersten Fachboden auch noch ohne Hilfsmittel hinten an.
Eine ältere Kundin war nicht ganz so in die Länge geschossen und kam nur mühsam überhaupt am obersten Fachboden an. Aber sie wusste sich zu helfen: Sie nahm sich einen unserer Tritthocker, schob ihn vor das Regal, kletterte die zwei Stufen hoch und angelte sich das gewünschte Produkt von ganz hinten aus dem Regal.
Das wäre alles nicht so erstaunlich für mich gewesen, wenn sie ansonsten nämlich nicht recht unbeholfen mit einem Rollator hier durch den Laden gegangen wäre.
(Natürlich hätten wir ihr helfen können, aber da war die Kletterei schon vorbei.)
Zwei junge Frauen zwischen 20 und 25 waren im Laden und kauften ein.
Ich wuselte gerade mit dem Bestellgerät durch die Gänge und irgendwann kreuzten sich unsere Wege. In dem Moment schnappte ich einen Gesprächsfetzen zwischen den beiden auf. Eine der Frauen konnte sich wohl nicht entscheiden und die andere entgegnete: "Nimm einfach alles mit, was du willst."
Ich guckte sie an und lachte: "Find' ich gut."
Als sie den Hintergedanken meiner Aussage verstanden hatten, lachten sie auch.
Einfach so und ohne besonderen Anlass und ohne zu wissen, dass der Kollege überhaupt nichts mit Star Trek am Hut hat, hatte ein Stammkunde ihm zwei ungeöffnete Modellbausätze mitgebracht und geschenkt, unter anderen für diesen imperialen romulanischen Warbird.
Für mich war der Bausatz, der neu immerhin 40 Euro kostet, aber nichts. Mit Modellbau hatte ich noch nie etwas am Hut und außerdem bin ich innerhalb des Star-Trek-Universums ein ganz großer Fan der geradlinigen Klingonen. Qapla’!
Disclaimer: Ich habe lange mit mir gerungen, ob und wie ich diesen Beitrag hier veröffentliche. Nur als Text, mit einem Standbild oder doch in Form eines kleinen Videos. Klar war: Der Beitrag gehört hier ins Blog. Nach mehreren Versuchen kam die Erkenntnis, dass ausschließlich eine kurze Videosequenz das Erlebte richtig transportieren kann. Der kleine Schnipsel ist ein Ausschnitt aus dem gesamten Videomaterial und erkennen kann man ja auch nur mich. Aber von vorne:
Der Tag begann so friedlich. Ich erledigte am Vormittag die große Ladenbestellung und hockte gerade vor dem Spirituosenregal, als eine Frau in den späten Achtzigern zu mir in den Gang kam und einen Weinbrand suchte. Nach einigem Hin und Her entschied sie sich für eine Flasche Chantré. Das ist sicherlich nicht der beste Weinbrand, aber für den Preis ganz okay. Währenddessen plauderte sie über dieses und jenes und erzählte mir auch, dass sie in der Vorwoche gestürzt sei und dass sie nach Aussage ihrer Kinder damit ins Krankenhaus hätte gehen sollen. "Aber da ist ja nichts gebrochen, das ist nur ein dicker blauer Fleck", erklärte sie mir. "Damit gehe ich doch nicht ins Krankenhaus!" Sie lachte.
Ich bin nun überhaupt kein Smalltalk-Typ und versuchte wirklich mit aller Mühe, Verständnis und Interesse für ihr Bein zu zeigen. Indem ich etwas auf meinem Bestellgerät herumtippte, das ich die ganze Zeit in der rechten Hand hielt, versuchte ich, ihr dezent mitzuteilen, dass ich jetzt unbedingt weiterarbeiten sollte. Aber das hatte sie in ihrem Redefluss gar nicht wahrgenommen und nachdem sie mir noch ihren Sturz geschilderte hatte, fügte sie noch an: "Ach, ich zeige Ihnen das mal."
Noch bevor ich protestieren konnte, stellte sie die Flasche ins Regal, lockerte mit den nun freien Händen das zusammengeknotete Bündchen ihrer Hose und schon schwebte genau vor meiner Nase ein dickes, blauschwarzes Hämatom auf einem ansonsten schrumpeligen Bein… Hilfe!!!!
Mein Gesichtsausdruck am Ende des Schnipsels spricht wohl Bände.
Eine langjährige Stammkundin in etwa meinem Alter gab Leergut ab und war sehr verwundert darüber, dass sie für Bierflaschen (Glas, Mehrweg) 8 Cent bekommen würde.
Da ich gerade vorbeiging, sprach ich sie einfach mal an: "Wussten Sie nicht, dass die acht Cent Pfand haben?"
"Nein, ich dachte immer, alles hat 25 Cent."
Jetzt bin ich sehr verwundert. Es ist ja nicht so, dass die Mehrweg-Pfandwerte nicht seit über 20 Jahren festliegen und man doch in diesem Land in all den Jahren doch irgendwie zumindest mal am Rande damit in Kontakt gekommen sein müsste. Selbst wenn man damit nicht täglich oder sogar beruflich zu tun hat.
Ein Kunde sprach Ines mitten im Laden an: "Hallo, ich habe mal eine Frage. Ich kaufe gerade für den Herrn Meyermüllerschulz ein und weiß jetzt bei einem Artikel nicht weiter. Welche Brezeln nimmt er denn immer?"
Ines sah ihn mit großen Augen an: "Keine Ahnung, Sie kaufen doch für ihn ein."
"Aber Sie müssen doch Ihre Kunden kennen."
Sorry. Wir leben zwar Kundenservice, aber die Namen und Kaufgewohnheiten jedes einzelnen kennen wir nun auch nicht.
Kasse eins war besetzt. Dort warteten drei Kunden mit jeweils wenigen Teilen, es ging also schnell voran.
An Kasse zwei bekam gerade eine Bewerberin eine erste Kasseneinweisung. Es ging dabei nur um die Technik und die grundlegenden Handgriffe und Funktionen des Kassensystems. Die Kassenschranke war geschlossen, das "Kasse geschlossen"-Schild stand auf dem Förderband und zudem war auch gar keine Geldlade eingesetzt. Man hätte also sogar beim besten Willen nicht mal eben spontan kassieren können.
Ein weiterer Kunde näherte sich der Kasse. Die immer noch winzige Schlange war ihm wohl dennoch zu lang und so steuerte er geradewegs auf die zweite Kasse zu und wollte gerade seinen Einkaufskorb auspacken, als die Kollegin ihm freundlich mitteilte, dass die Kasse geschlossen ist.
Er ignorierte diese Aussage und packte die ersten Teile auf das Förderband, als die Kollegin ihm noch einmal sagte, dass die Kasse wirklich wegen einer Einweisung geschlossen ist und sie dort gerade nicht kassieren können. "Das sehe ich aber anders", widersprach der Kunde und räumte weiter den Einkaufskorb aus. Die Kollegin ignorierte ihn ab jetzt dabei und setzte das Gespräch mit der Bewerberin fort.
Nach einer Minute des vergeblichen Wartens sammelte er seine Sachen genervt wieder ein und ging zur anderen Kasse rüber, an der inzwischen nur noch ein Kunde vor ihm war.