Eine Kundin rief an und wollte wissen, ob wir auch die Fruchtsäfte von Liebe im Angebot hätten. Ich hatte von dem Hersteller noch nie gehört und verneinte ohne lange nachzudenken. Die Anruferin bedankte sich für die Information und legte auf.
In dem Moment des Auflegens zuckte mir ein Geistesblitz durch den Schädel: Meinte sie vielleicht unsere Säfte der Eigenmarke, die "Frucht-Liebe" oder "Saft-Liebe" heißen und auf denen das Wort "Liebe" groß und fett mitten auf dem Etikett prangt? Ich rief die Frau zurück und nach kurzer Erklärung war klar, dass sie tatsächlich die Flaschen Frucht- und Saftliebe meinte. "Dann komme ich nachher vorbei", freute sie sich und bedankte sich ausdrücklich noch einmal für die Mühe, dass ich sie zurückgerufen hatte.
Das Telefon klingelte, eine 0800er-Nummer mit einem ziemlichen Rattenschwanz an Ziffern dahinter wurde auf dem Display angezeigt. ich wollte gerade rangehen, aber ein Kollege war schneller. Nach zwei Minuten kam er zu mir ins Büro, verdrehte die Augen und fluchte: "Sperr die Nummer bloß! Ich hab den kaum verstanden, so schlecht sprach der Deutsch. Wollte mir Geldschreiber oder sowas andrehen. Was für ein Schwachsinn. Hab dem gesagt, der soll hier nie wieder anrufen und aufgelegt!"
Im ersten Moment verdrehte ich auch die Augen, aber ein kleines Glöckchen irgendwo in mir klingelte leise. Ich hatte eine Ahnung, die sich beim Blick in meine Unterlagen bestätigte: Die Nummer gehört zum Werbemittelhersteller pens.com, mit denen ich geschäftlich seit einer Weile zu tun habe. Wir haben da nämlich hunderte Kugelschreiber bestellt. Gelschreiber, um genau zu sein. Keine Geldschreiber – und der Anrufer war mein Kundenbetreuer aus dem internationalen Callcenter.
Ich hab ihm mal eine Mail geschrieben, dass das nicht so böse gemeint war.
Ein Anrufer erklärte, dass er von irgendeiner Einrichtung für kranke oder behinderte Kinder sei. Ohne Punkt und Komma holte er direkt aus, was dort gemacht würde und dass die Kinder dabei auch immer wieder gefahren werden müssten und dass die Einrichtung ein neues werbefinanziertes Fahrzeug benötigen würde. Es war ein schön einstudierter Text, der direkt mit sanfter Massage die Tränendrüsen massierte. Außer bei mir. Ich bin vermutlich sowieso weit unterdurchschnittlich empfänglich für Werbebotschaften und Gefasel aller Art, weshalb aber auch Betrüger bei mir nie weit kommen.
"… blabla, würden wir Sie auch gerne als Partner mit Ihrer Werbung auf dem Fahrzeug haben."
"Kein Interesse."
"Oh, warum das?"
"Weil diese Werbesammelsurien nutzlos sind, da kommt nichts bei rum."
Ich glaube, diese Aussage passte nicht in das Skript des Anrufers, jedenfalls entgegnete er nicht mit einer schlagfertigen Antwort, sondern stammelte ein "Ähh" und daraufhin entstand eine für ein solches Gespräch recht lange Pause, die ich dazu nutzte, einfach aufzulegen.
Ein Kollege nahm einen Anruf entgegen. Die Frau am anderen Ende plapperte direkt los und stellte sich als Mitarbeiterin einer Lidl-Filiale hier im Großraum vor und erklärte ohne Punkt und Komma, dass sie ein Problem mit dem Pfandautomaten hätten und auch, welche Lampe aufleuchtet und welche Fehlermeldung da stehen würde.
Keine Ahnung, wie sie auf unsere Nummer gekommen waren. Würde mich nicht mal wundern, wenn da jemand im Internet nach irgendwelchen Stichworten gesucht hat und dabei auf dieses Blog gestoßen ist. Die Chance ist zumindest größer, als dass irgendeine Firma, die derartige Geräte wartet, versehentlich meine Telefonnummer zur Kontaktaufnahme angegeben hat.
Das Telefon klingelte, eine Nummer mit der Ländervorwahl 0044 (Großbritannien) wurde angezeigt. Ich vermutete irgendeinen Anrufmüll und meldete mich recht lax und komplett anti-business-stylish mit "Jo?"
Ein Mann fing an, auf Englisch auf mich einzureden. So weit ich das durch seinen hakeligen Akzent (Inder evtl.) und die rauschige Verbindung verstand, wollte er mir irgendwelche Getränke verkaufen. Ich konterte konsequent auf Deutsch und hatte überhaupt keine Lust, auf ihn einzugehen.
Mit den Worten "Learn English, Bro!" legte er irgendwann entnervt auf. Hihi.
Eine Frau rief gerade an und teilte mir ihr Interesse an dem Job aus der Stellenanzeige im Internet mit. "Welche Stellenanzeige?", erkundigte ich mich, immerhin suchen wir gerade niemanden. "Bei Stepstone, ich habe eine Nachricht von denen bekommen, dass bei Ihnen eine Aushilfe gesucht wird", erwiderte sie.
Was doppelt kurios ist. Nicht nur, dass wir gerade niemanden suchen und dementsprechend wenig Stellenanzeigen online haben – nein, ich habe auch mit Stepstone noch nie zu tun gehabt, geschweige denn, dort jemals im Leben eine Anzeige geschaltet.
Das Telefon klingelte, Ines ging ran und meldete sich mit der üblichen Grußfloskel.
Die Anruferin plapperte sofort und ohne abzusetzen in einem Satz los: "Hallo, Sarah hier, haben Sie Praktikumsplätze frei?"
Ines hatte den halben Satz "Momentan leider nicht …" gerade gesprochen, als die Anruferin auch schon mitten im Satz auflegte. Kein Danke, keine Verabschiedung, nichts.
Genau solche Leute möchte ich nicht haben, also hat Sarah alles richtig gemacht.
Und dass sie die zweite Hälfte des Satzes, nämlich die Frage nach dem geplanten Beginn des Praktikums, nicht mehr gehört hat, ist dann jetzt wohl auch egal.
Anruf irgendeiner Firma, die mir Toner für unseren Drucker verkaufen wollte und deren Nummer sich mit der Rückwärtssuche nicht finden ließ: "Guten Tag, Firma Hippklingendernamemittonerdarin, wer ist denn bei Ihnen für den Einkauf Toner zuständig?"
Ich antwortete wahrheitsgemäß: "Unser Drucker."
"Häh?! Wie jetzt?!"
Ich machte mir noch die Mühe und erklärte ihr, dass wir ein Mietgerät haben, das bei niedrigem Füllstand einer der vier Patronen übers Netzwerk eine Bestellung auslöst und wir uns daher um nichts kümmern müssen.
Die Frau bedankte sich und legte auf. Ich dagegen bereicherte mit dieser Nummer die Sperrliste unserer Fritzbox um einen weiteren Eintrag.
Anruf eines Mitarbeiters einer Firma, die mir "Impulsartikel" anbieten wollte. Was genau, sagte er mir am Telefon jedoch ausdrücklich nicht. "Da würde gerne morgen unser Außendienstler bei Ihnen vorbeikommen und Ihnen das mal im persönlichen Gespräch vorstellen", wich er aus.
"Dann schicken Sie mir einfach mal ein paar Infos per E-Mail", bat ich ihn.
"Per E-Mail versenden wir generell gar kein Material. "
"Schade. Ich rede nicht gerne mit fremden Leuten, da kommen wir wohl nicht zusammen", entgegnete ich. Vielleicht lässt er sich ja so überzeugen, mir doch Infos rauszurücken – dachte ich auf dem Holzpfad wandelnd.
Der Anrufer spottete noch, dass ich bei meinem Job dann wohl ein Problem hätte, da wir ja in einem Supermarkt ständig mit fremden Leuten zu tun haben, und legte ohne weiteren Kommentar auf. Da habe ich wohl nicht viel verpasst, glaube ich.
Eine Kundin rief an, da sie 20 Euro vermisste. Sie hatte für knapp 25 Euro eingekauft, aber nur 20 Euro Bargeld in Form einer blauen Banknote mit den Abbildungen gotischer Fenster dabei. Da sie kein Teil zurücklassen wollte, hatte sie dann den gesamten Einkauf mit ihrer Bankkarte bezahlt und, so ihre Aussage, den zuvor bereits meinem Mitarbeiter übergebenen Geldschein hier wohl vergessen.
Da der Vorgang keine halbe Stunde her war, ließ sich der Sachverhalt problemlos in der Videoaufzeichnung nachverfolgen.
Ja, sie hatte einen 20-Euro-Schein schon meinem Mitarbeiter gegeben, während sie noch nach weiterem Bargeld suchte. Nachdem sie die Suche abgebrochen hatte und ihre ec-Karte aus dem Portemonnaie zog, legte der Kassierer den Schein auf den Kassentisch und Augenblicke später noch den Kassenbon dazu. Eindeutig zu sehen war, dass die Kundin beide Papiere ergriff und mitnahm, bevor sie aus dem Sichtfeld der Kamera verschwand.
"Wo Sie das Geld gelassen haben, weiß ich natürlich nicht", erklärte ich ihr, "aber ich kann Ihnen hier und jetzt mit hundertprozentiger Sicherheit sagen, dass Sie die Euro von meinem Mitarbeiter zurückbekommen und auch mitgenommen haben." Mit einem Lächeln in der Stimme und um der Aussage etwas Nachdruck zu verleihen, ergänzte ich noch, dass ich das sogar vor Gericht unter Eid aussagen würde.
Es hatte dennoch den Anschein, dass sie mir nicht glaubt, obwohl die Faktenlage absolut eindeutig war. Die Reaktion der Anruferin wirkte jedenfalls gleichermaßen enttäuscht wie ungläubig und vermutlich sind wir jetzt mal wieder die Bösen, die sich einfach am Eigentum fremder Leute bereichern.
Ein Schüler, der bei der Inventur am Samstag mithelfen möchte, war dabei, schon mal seine Daten auf dem Erfassungsbeleg für die Abrechnung der Inventurhelfer einzutragen.
Zwischendurch zückte er sein Handy. Ohne, dass ich irgendwas gesagt hatte, erklärte er mir, dass er seine Mutter wegen des Geburtsortes anrufe.
Mein verwunderter Blick muss Bände gesprochen haben. Er ergänzte: "Ich bin in Rumänien geboren und ich habe keine Ahnung, wie man den Ort schreibt …"
Das Telefon klingelte. Ich ging ran und meldete mich knapp mit meinem Namen.
"Harste."
Anruferin: "Ja, schönen guten Tag. Ich habe mich leider verwählt, auf Wiederhören."
Und schon war die Verbindung wieder zu Ende.
(Die Rückwärtssuche ergab, dass die Nummer bei Tellows mit 8 bewertet wurde und dort vor aggressiver Werbung gewarnt wird. Habe dann wohl nicht allzu viel verpasst.)
Ein Stammkunde hatte einen aus nur einer Handvoll Teilen bestehenden Einkauf, musste jedoch an der Kasse feststellen, dass er sein Portemonnaie vergessen hatte. Die Artikel wurden an der Kasse deponiert, er lief nach Hause.
Nach einer Weile klingelte das Telefon. Der Anrufer war der Kunde, der sein Geld vergessen hatte. Er wollte uns nur darüber informieren, dass er so lange sein Portemonnaie gesucht hatte, dass er jetzt nicht mehr wiederkommen könne – und wir sollen die Sachen doch bitte wieder verräumen. Kein Problem für uns.
Das ist doch mal sehr aufmerksam von dem Kunden gewesen.
Eine Frau rief an und klagte mir ihr Leid vor: Sie hätte hier vor ein paar Tagen für etwa 35 Euro eingekauft, ihr wurden jedoch 235 Euro abgezogen. Sie vermutete auch direkt, dass sich da wohl mein Mitarbeiter an der Kasse vertippt hätte, was ja mal passieren könne.
Ja. Nein! Bei uns kann sich der Mitarbeiter nicht vertippt haben, da der Betrag, der bargeldlos gezahlt werden soll, direkt vom Kassensystem an das Terminal übergeben wird. Das sagte ich ihr auch und sah mir den ganzen Vorgang mal im elektronischen Journal an. Für einen Blick in die Videoaufzeichnung war ihr Einkauf bei uns schon einen Tag zu lange her, die Daten waren leider bereits gelöscht.
Die Summe laut Bon belief sich auf ca. 35 Euro. Untendrunter stand noch der Hinweis, dass 200 Euro via Cashback ausgezahlt wurden, was ich der Anruferin mitteilte: "Hier steht, dass Sie sich 200 Euro Bargeld haben auszahlen lassen …"
Es folgte ein ganz, ganz kurzer Moment der Stille und doch konnte ich förmlich hören, die die Frau sich innerlich mit der flachen Hand vor die Stirn klatschte. Daraufhin folgte eine ganze Salve an Entschuldigungen. Alles gut, kann passieren.
Ein Standard-Discountartikel sind abgepackte Schokobrötchen. Folglich gibt es die außer bei jeder anderen Handelskette auch bei uns, und zwar als "gut & günstig mmh! Schokobrötchen" in der 300g-Packung zum tagesaktuellen Discountpreis. Ich hab' die noch nie gegessen, aber ich weiß, dass wir sie haben und dass sie gerne gekauft werden.
Das Telefon klingelte und ein Kollege nahm den Anruf entgegen. Ich habe bis jetzt nicht so richtig verstanden, was der Anrufer wollte, aber in den ersten Minuten verstand ich natürlich überhaupt nichts. Der irritierte Gesichtsausdruck meines Mitarbeiters wurde immer verwirrter und das Fragezeichen, das mittlerweile über seinem Kopf schwebte, passte hier kaum noch ins Lager. Schließlich grätschte er dem Anrufer in den Satz: "Ich übergebe mal eben an meinen Chef, vielleicht kann der Ihnen helfen."
Der Mann erklärte mir, dass er die eingangs erwähnten Schokobrötchen immer total gerne kaufen und essen würde. Die schmecken bei EDEKA besser als die anderen Sorten. Aber die er jetzt gekauft hätte, würden nicht mehr so gut schmecken.
Genauer gesagt würden sie jetzt exakt so schmecken, wie von Kaufland oder Aldi und es wäre, jetzt wird es sonderlich, echt eine Unverschämtheit und absolut kundenunfreundlich, dass wir da jetzt die Schokobrötchen von Kaufland umpacken und als unsere eigenen verkaufen würden.
Um diese Kernaussage drehten sich auch die folgenden Minuten unseres Gesprächs. Ich versuchte mehrfach, ihm zu erklären, dass wir die Brötchen weder selber backen noch umpacken. Wir bekommen die fertig aus der Schokobrötchenfabrik geliefert und haben da keinen Einfluss drauf. Wollte er nichts von wissen. Dann sagte ich ihm, dass EDEKA ja auch keine eigene Schokobrötchenfabrik hätte und nun die Brötchen vielleicht dort gebacken werden, wo auch die von Kaufland und Aldi gebacken werden. Kann ja durchaus sein, das ist eine sehr gängige Praxis. Der Anrufer blieb bei seinem Mindset, dass wir hier übelst die Kunden verarschen würden, wenn wir die Kaufland-Schokobrötchen in die EDEKA-Schokobrötchentüten umfüllen würden. Nachdem die Diskussion einige Minuten hin und her ging und der Mann für keine Argumente offen war, würgte ich ihn schon beinahe ab mit den Worten, dass die jetzt so schmecken und er damit leben muss. Punkt.
Ich habe lange darüber nachgedacht, ob das ein Telefonstreich gewesen sein soll. Aber ich glaube, dass der Mann das wirklich, wirklich ernst gemeint hat.
(Kennt, kauft und isst von euch jemand die Schokobrötchen von gut&günstig mehr oder weniger regelmäßig? Gab es da tatsächlich eine Änderung? Kann ja sein, dass die nun von einem anderen Hersteller kommen.)
Und jetzt muss ich weitermachen. Bis zum Schichtende habe ich noch ein paar hundert Penny-Pizzas in die Schachteln von Ristorante umzufüllen.