Bremen gilt ja als fahrradfreundlichste Großstadt des Landes. Solange es Stellen gibt, die ich nutzen darf und muss, sie aber wegen unangenehmer Begegnungen mit dem Kraftverkehr oder schwachsinniger Ampelschaltungen und Verkehrsführungen vermeide, werde ich die Aussage mit der Fahrradfreundlichkeit ganz sicher nicht unterschreiben.
Aus privaten Gründen bin ich heute etwas später als gewöhnlich zur Firma gefahren. Gegen 7:30 Uhr war ich von zu Hause losgeradelt – und ich SCHWÖRE, ich fahre nie wieder in diesem Zeitfenster zwischen 7:30 Uhr und 8 Uhr freiwillig mit dem Fahrrad.
Zu der Zeit sind die ganzen Schüler unterwegs. Und was ich da eben erlebt habe, spottet jeder Beschreibung. Ines und ich fahren viel mit dem Fahrrad, zusammen kommen wir im Monat auf mehrere hundert Kilometer, und wir haben schon vieles erlebt. Aber wenn ich irgendwann mal wieder "Schüler auf Fahrrad von Auto überfahren" lese, werde ich nur Mitleid mit dem Autofahrer haben.
Dass rote Ampeln ohnehin nur noch eine Empfehlung zu sein scheinen, geschenkt. Dazu wird mit Fahrrädern und E-Scootern auf der falsche Seite gefahren. Das kommt zwar immer wieder mal vor, nur eben nicht so gehäuft wie eben gerade erlebt. Mitunter hatte ich das Gefühl, ich wäre derjenige, der falsch fährt. Handy in der Hand ist ohnehin normal, geltende Vorfahrtsregeln werden konsequent ignoriert. Rechts vor was? Okay, Grundschüler müssen das noch nicht kennen, aber dann sollte man ihnen beibringen, generell vorsichtig zu fahren und nicht einfach blind durchzufahren.
Das alles lässt sich übrigens auch noch für die Vielfalt beliebig miteinander kombinieren: Zu dritt nebeneinander im Gegenverkehr über eine rote Ampel, die zwei Schüler wegen des Blicks auf die Handys vermutlich gar nicht wahrgenommen haben?
Ja, das ist offenbar normaler Alltag auf der Straße.
Kurioser Straßenmarkt in Rangun / Myanmar: Die Ware steht in Körben mitten auf der Fahrbahn, so dass passierende Autos einfach darüber hinweg fahren können, während das feilgebotene Gemüse etwas zurechtgerückt kurzerhand auf der Straße stehen bleibt.
Und bei uns beschweren sich die Leute bei unserer Außenplatzierung schon darüber, dass am dort angebotenen Obst und Gemüse Abgase der hier in der Gastfeldstraße vorbeifahrenden Autos haften könnten … Andere Länder, andere Schmerzgrenzen. Hoffentlich kommen da nicht irgendwelche Helden mit ihren extrem tiefergelegten Prollkarren auf die Idee, da durchzufahren.
Seit einer Weile hängt ein Flyer für die Critical Mass Bremen bei uns hier im Laden an der Kundenpinnwand. Für die was? Kurz zusammengefasst: Die Critical Mass eine Art öffentliche Fahrradtour, die in der Regel jeweils am letzten Freitag im Monat stattfindet. Die Critical-Mass-Bewegung nutzt den §27 der StVO dazu, scheinbar zufällig zusammengefügte Verbände auf die Straße zu bringen, um (zumindest ursprünglich) auf die Belange des Radverkehrs aufmerksam zu machen, die in der autogerechten Stadt meistens kaum Beachtung fanden.
Ich habe es zwar selber noch nie geschafft, mal mit der Masse mitzufahren, aber ich bin dennoch ein absoluter Befürworter dieser Bewegung. Irgendwann ja vielleicht doch mal … Ich fahre zwar pro Monat mehrere hundert Kilometer mit dem Rad, aber an einem Freitag Abend bin ich meistens in Feierabendstimmung und fahre lieber die 15 km nach Hause ins Umland als noch hin und her quer durch Bremen, ich gebe es ja zu.
Der LKW mit den beiden kleinen Kühlregalen ist seit 79 Minuten überfällig. Hätte er doch lieber schon gestern Abend spontan um kurz vor Mitternacht kommen sollen? Nein. Ich verwerfe diesen Gedanken wieder und blicke optimistisch in die Zukunft. Die Verkehrslage auf den Autobahnen im Großraum dieser Hansestadt lässt keinen Platz für individuelle Zeitplanungen. Ich lehne mich zurück, öffne mir eine weitere Flasche Matetee und nehme mir vor, mich nicht beunruhigen zu lassen.
Letzte Woche Samstag war die "Critical Mass" Bremen und hat hier vor dem Laden eine "Bike Lifting"-Aktion gestartet. Es wurde von einem Teilnehmer Vorgeschlagen, für all die Aktionen, die wir hier machen.
Dank an Stefan für den Hinweis und das Foto und an alle natürlich für die Aktion. Yeah. Bikegeliftet!