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(Kein) Arbeitszeugnis nach 18 Jahren

Von einer ehemaligen Mitarbeiterin wurde ich via E-Mail gebeten, ihr ein Zeugnis für die Beschäftigung bei mir im Unternehmen auszustellen. Normalerweise ist das kein Problem und den (Ex-) Mitarbeitern steht ja auch ein Zeugnis zu. Die offizielle Verjährungsfrist für Arbeitszeugnisse ist nicht konkret geregelt, daher gilt §195 BGB – drei Jahre. Wenn machbar, würde ich mich natürlich auch nach diesem Zeitraum nicht anstellen und den Wunsch erfüllen.

An den Namen der Mitarbeiterin erinnere ich mich noch sehr gut und auch, dass es lange her ist. Woran ich mich überhaupt nicht mehr erinnern kann, ist der Beschäftigungszeitraum (ich könnte ihn nicht annähernd benennen) und auch nicht, ob sie als Aushilfe oder in einem steuerpflichtigen Beschäftigungsverhältnis bei mir angestellt war. Ihren eigenen Worten nach ist es "etwa 18 Jahre" her. Aus der Zeit gibt es nicht mehr annähernd alte Personalunterlagen und auch die Personaleinsatzpläne aus der Zeit gibt es nicht mehr. Im Klartext gesprochen habe ich keine Chance mehr, den Wunsch nach einem Zeugnis zu erfüllen. Daher lautete meine Antwort wie folgt:

Moin,

leider kann ich bzgl. eines Arbeitszeugnisses nicht weiterhelfen. Es existieren nach so langer Zeit keinerlei Personalunterlagen mehr und selbst die Personaleinsatzpläne aus der Zeit habe ich nicht mehr.

Es gibt also keine Chance für mich, auch nur annähernd den Beschäftigungszeitraum zu benennen, geschweige denn eine Leistung zu beurteilen.

Tut mir wirklich leid, ich hätte sonst wirklich gerne geholfen.
Normalerweise gibt es das Zeugnis zum Ende der Beschäftigung. Ich denke aber auch nicht immer daran und wenn der ausgeschiedene Arbeitnehmer dann nicht auch noch von sich aus fragt, rutscht es eben auch mal durch. Ist ja meistens kein Problem, die kann man ja auch nachträglich schreiben. Gerade bei Aushilfsjobs ist das Vorhandensein eines Zeugnisses auch normalerweise relativ egal, aber ab und zu kommt es eben schon vor, dass ehemalige Mitarbeiter auch nach längeren Zeiträumen bei mir nach einem Zeugnis fragen. Meistens, um die eigenen Unterlagen lückenlos zu haben.

Dass der verspätete Wunsch nach einem Zeugnis nach einer Zeitspanne deutlich länger als zehn Jahre passiert, hatte ich aber auch noch nicht. :-)

Geschlechtsneutrales Arbeitszeugnis?

Ich stehe zwar nicht akut vor dieser Problematik, da ich gerade aber ein anderes Arbeitszeugnis geschrieben habe, musste ich plötzlich darüber nachdenken: Was tun, wenn jemand ein geschlechtsneutrales Arbeitszeugnis haben möchte, weil er/sie/es/x/* sich weder als Mann noch als Frau betrachtet?

Gerade erst kürzlich wieder viel in den Medien präsent: Geschlechtsneutral anreden soll man mit "Guten Tag", "Hallo", "Liebe*r" oder "Sehr geehrte*r". Aber darum geht es mir gerade gar nicht. Mal eben die Suche im Web bemühen: Dort bekommt man aber nur Tipps zum generellen Inhalt des Zeugnisses: "… bei Vorgesetzten, Mitarbeiter/innen und Kunden und Kundinnen gleichermaßen sehr geschätzt."

Aber was ist, wenn der Empfänger des Zeugnisses sich weder als weiblich noch als männlich betrachtet? Wie formuliert man dann den Inhalt? "Alle ihm/ihr übertragenen Arbeiten erledigte Herr/Frau Xyz stets zu meiner vollsten Zufriedenheit. Er/Sie hat meinen Erwartungen in jeder Hinsicht entsprochen und war stets sehr sorgsam im Umgang mit der Ware und den Geräten. Er/Sie zeigte Initiative, Fleiß und Eifer, war umsichtig und engagiert."

Ich hatte gerade die Idee, dass man ja in die dritte Person wechseln könnte. Dabei die Anrede einfach weglassen und dafür den vollen Namen schreiben ("Max Musterfrau verließ mein Unternehmen auf eigenen Wunsch, was ich außerordentlich bedaure.") – aber spätestens bei der Verwendung von Personalpronomen ("ihm übertragene Arbeiten …", "wegen ihres freundlichen Wesens …") wird es dann doch wieder wirr. (Nachtrag zu diesem Absatz: Wie im Kommentar von Hendrick genannt, konsequent beim Namen bleiben: "Max Mustermann erledigte die übertragen Arbeiten …" oder "wegen Max Mustermanns freundlichem Wesen war Max Mustermann bei allen beliebt" – geht, klingt komisch, aber wäre zumindest eine nach meinem Empfinden akzeptable Lösung.)

Ines' Vorschlag war gestern Abend, dass man einfach die Dinge und Tätigkeiten direkt beschreiben könnte: "Übertragene Arbeiten wurden stets zu meiner vollsten Zufriedenheit ausgeführt. Meinen Erwartungen wurde in jeder Hinsicht entsprochen und der Umgang mit der Ware und den Geräten war steht sehr sorgsam. Es wurde Initiative, Fleiß und Eifer gezeigt." – Nett klingt das aber auch nicht mehr.

Wie kann man das denn neutral formulieren? Gibt es dazu schon eine Lösung?

Ressourcenmanagement

Wir haben eine Bewerbung bekommen. Dabei war ein Arbeitszeugnis mit einer Auflistung der Dinge, die in der Firma zum Tätigkeitsfeld der Bewerberin gehörten. Unter anderem stand dort:

Ressourcenmanagement (Küchen- und Konferenzraumbereich)
Ich hab das einfach mal als "täglich Kaffee kochen und immer rechtzeitig neue Kaffeekapseln kaufen" interpretiert, was aber ja auch nicht unwichtig ist. :-)

Wie, selber schreiben?!

Eine Kollegin, die uns in ein paar Monaten umzugsbedingt verlassen wird, hat nach einem Zwischenzeugnis gefragt, mit dem sie sich bei Betrieben in ihrer zukünftigen Heimat bewerben möchte.

Ich stellte meine übliche Frage: "Soll ich das machen oder willst du den Text selber schreiben?"

Sie guckte mich ungläubig mit großen Augen an und ich erklärte ihr, dass ich das grundsätzlich anbiete, um spätere Korrekturen und Diskussionen von und um bestimmte(n) Formulierungen oder Floskeln zu vermeiden. Warum sollte ich das auch nicht anbieten? Der Inhalt von diesen Zeugnissen ist erfahrungsgemäß das Papier nicht wert, auf dem die Dinger gedruckt sind.

Falls jemand einen Zeugnistext von mir erstellt bekommen möchte, stopfe ich den mit Superlativen, "stets" und "vollsten" nur so voll, bis der Schmalz vom Blatt tropft. Wenn jemand, der mich verarscht hat, richterlich angeordnet ein "wohlwollendes" Zeugnis zu bekommen hat, dann steht wohl jedem anderen Mitarbeiter, und selbst wenn dieser auch nur annähernd anständige Arbeit gemacht hat, ein Arbeitszeugnis der Spitzenklasse zu. ;-)

Ich gucke mir bei eingehenden Bewerbungen übrigens in den Zeugnissen im Grunde immer nur den letzten Satz an, in dem etwas über den Grund des Ausscheidens des jeweiligen Mitarbeiters steht.