Wenn sich jemand die Tasche mit Haftcreme vollstopft, wünscht man sich insgeheim, dass zumindest der erste Teil des Wortes einfach mal zutreffen würde.
Ihr braucht jetzt nicht gleich in Panik zu fallen: Nur weil man mal einem Mitarbeiter in einem Geschäft eine Frage stellt, wird man nicht gleich für einen potentiellen Ladendieb gehalten.
Auffällig ist allerdings das Verhalten, das tatsächlich viele Ladendiebe und andere zwielichtige Gestalten zeigen: Fast alle Mitarbeiter und teilweise auch andere Kunden im Markt werden irgendwie angequatscht. Meistens mit belanglosen Fragen zu irgendwelchen Produkten. Smalltalk eben. Soll vermutlich totale Gelassenheit und Offenheit zeigen.
Funktioniert (zumindest bei mir hier) allerdings überhaupt nicht. Die meisten Kunden grüßen und stellen bei Bedarf auch mal eine Frage – aber mehr machen Ottonormalkunde und Emmanormalkundin nunmal nicht. Alles andere ist auffällig.
Aber trotzdem: Der letzte (aufgedeckte) Ladendiebstahl hier bei mir im Geschäft hat am 14. Juni stattgefunden, ist also etwas mehr als zehn Wochen her.
Uns fiel gerade auf, wie ausgesprochen ruhig es in letzter Zeit doch bezüglich "verdächtiger Personen" und anderer Gestalten hier im Laden war und dann kam mir der Gedanke, doch mal eben in meinen Ordner mit den Diebstahlsprotokollen zu gucken.
Eine junge Frau hatte während ihrer Suche nach den richtigen Getränken ihre Handtasche in der Getränkeabteilung auf den Bierkisten abgestellt – und dort nach erfolgreicher Bier-Suche vergessen.
Knapp zehn Minuten später bemerkte sie den Verlust, erinnerte sich aber daran, wo sie die Tasche abgestellt hatte und wandte sich schließlich an einen meiner Mitarbeiter.
Nach kurzer Suche in der Videoaufzeichnung hatten wir die traurige Wahrheit: Zwei (wenig vertrauenerweckende) Typen wollten eigentlich nur ein paar Sachen einkaufen (wobei ich mir damit nachträglich auch nicht mehr so sicher wäre) und entdeckten auf ihrem Weg durch den Laden die Tasche. Schnell gegriffen, in eine Jacke eingewickelt und raus aus dem Laden. Der andere bezahlte noch die Getränke und ging dann auch. Drecksäcke.
Viel konnten wir leider nicht machen. Die Kundin hat bei der Polizei Anzeige erstattet und ich habe die Videoaufzeichnung und einige Fotos vom Täter für die Polizei gesichert. Bringen wird es, vermutlich, nicht allzu viel…
Im Vorbeigehen fiel mir im Regal mit den Haushaltsfolien eine aufgerissene Packung Frischhaltefolie auf. Was finden die Leute nur immer so toll daran, diese Dinger auf- oder komplett auseinanderzureißen? Ich werd's nie verstehen. Die Packung ließ ich zunächst im Regal liegen und holte meine Kamera:
Als ich mich herunterbeugte, um das das Foto schießen zu können, fiel mir das auf:
Ein Heranwachsender, der erst vor ein paar Wochen 18 Jahre alt geworden war, erkundigte sich bei mir nach Sahnekapseln. Die Dinger sind mit Lachgas gefüllt und spätestens bei der Frage nach "noch mehr Packungen", immerhin lag nur noch eine einzige im Regal, war mir ziemlich klar, dass er die Dinger nicht für das nachmittägliche Kaffeekränzchen haben wollte.
Da der junge Mann am Vortag auch schon etwas herumgestresst hatte, beobachtete ich ihn bis zur Kasse nicht intensiv, aber doch immerhin aus den Augenwinkeln. Eigentlich war er gar nicht weiter auffällig – nur dass die Packung mit den Kapseln, die immerhin knapp fünf Euro kostet, nicht auf dem Kassenband lag, war sonderbar. Ich sagte meiner Mitarbeiterin, dass sie noch kurz damit warten soll, ihm die ec-Karte zurückzugeben und lief kurz nach hinten, um nachzusehen, ob er nicht doch die Packung wieder von mir unbemerkt zurückgelegt hatte. Fehlanzeige.
In der Zwischenzeit zog er Typ an der Kasse ganz beiläufig die Schachtel mit den Sahnekapseln aus seiner Umhängetasche und bezahlte sie, als wäre nichts gewesen.
Vielleicht hat der Hinweis, dass man sowas allgemein als Ladendiebstahl bezeichnet, gewirkt.
Post vom Amtsgericht: Der junge Mann, der im Januar die Scheibe in meiner Tür eingetreten hatte, wurde dazu verdonnert, den Schaden zu regulieren und dies anschließend auch dem Gericht nachzuweisen.
In der Filiale eines großen Bekleidungshauses hier in der Innenstadt werden Ladendiebe nicht dezent im Hintergrund abgefertigt, sondern vor allen anderen Kunden in der Nähe der Kassen. Ich finde das eigentlich gar nicht schlecht, denn die Gefahr, vor möglichen Bekannten bloßgestellt zu werden, dürfte abschreckend wirken – wenn auch erst für für eine mögliche Wiederholungstat.
Hier bei mir im Markt werde ich Ladendiebe aber auch weiterhin mit ins Lager nehmen. Aus dem ganz einfachen Grund, dass mir hinter der Kasse die Fluchtgefahr aufgrund der unmittelbaren Nähe zum Ausgang viel zu groß ist.
Aber man kann ja im Rausgehen noch seinen Mitarbeitern an der Kasse zurufen, dass die Person, die man gerade hinausbegleitet, geklaut und darum hier zukünftig Hausverbot hat.
Der junge Mann mit den blauen Adidas-Turnschuhen, der beigefarbenen Hose, dem dunklen Drei-Tage-Bart und etwa gleich langem Haupthaar und schwarzer Brille, der am Samstag um 21:25 Uhr ein paar Tüten Chips und eine Flasche Wein gekauft hat, lege ich nahe, die grüne Blink-LED zeitnah (und gerne diskret) wiederzubringen.
Ansonsten werde ich das als Diebstahl verbuchen und das Video aus unserer Überwachungskamera der Polizei zukommen lassen.
Ein Junk hatte sich mehrere Tüten Fruchtgummi in die Jacke gesteckt und wollte den Laden damit verlassen, ohne diese zu bezahlen. Am Ausgang fingen wir ihn ab. Es folgte das übliche Programm: Anzeige, Hausverbot.
Die ganze Zeit redete er davon, dass das total "lächerlich" sei, was wir da wegen den paar Euro veranstalten würden. Wir hätten die Ware wieder und sollten ihn einfach laufen lassen.
Also ich finde es überhaupt nicht lächerlich, einen Straftäter anzuzeigen. Jemand, der tagtäglich jede Minute dazu aufbringt, Geld für seinen nächsten "Schuss" zu beschaffen, betrachtet die Dinge nach einer Weile aber vermutlich aus einer anderen Perspektive.
Von der Staatsanwaltschaft Bremen habe ich ein Schreiben mit einem der bekannten Textbausteine bekommen:
Gegen den Beschuldigten ist wegen anderer Straftaten bereits ein Verfahren anhängig. Neben der in jener Sache zu erwartenden Strafe fällt die Strafe, zu der die Verfolgung der von Ihnen angezeigten Tat führen kann, nicht beträchtlich ins Gewicht, [...]
Erstaunt war ich über den Tatvorwurf: "Besonders schwerer Fall des Diebstahls".
Seltsam, an den Namen oder einen besonders schlimmen Fall in letzter Zeit (von der Pfefferspray-Geschichte mal abgesehen) konnte ich mich gar nicht erinnern. Also blätterte ich kurz meinen Ordner mit den Diebstahlsprotokollen durch – und wurde fündig.
Kurz vor Feierabend wollte eine Gruppe von mehreren angetrunkenen Heranwachsenden noch eine leere Getränkekiste aus dem Laden am Leergutautomaten versilben. Insgesamt waren sie ziemlich breit und halbwegs friedlich.
Den Biernachschub, den sie kaufen wollten, habe ich ihnen aber nicht mehr mitgegeben. Denen hätte ich heute Abend höchstens noch ein Glas warme Milch mit Honig verkauft. Wenn überhaupt.