Wirklich Bio?
Ein Erlebnis von gestern: Ein Vertreter einer sortimentsübergreifenden Bio-Marke war bei mir im Markt und wollte mir sein Angebot schmackhaft machen. Ich konnte mich jedoch nicht damit anfreunden, obwohl grade solche Marken für den konventionellen Handel recht umsatzstark und pflegeleicht sind: Von einem Lieferanten gibt's dann unter dem Dach e i n e s Handelsnamens dutzende Produkte aus ökologischer Erzeugung - Getreideprodukte, Öle, Müslis, Kekse, Reiswaffeln, Tofu und vegetarischen Brotaufstriche.Doch wie viel Bio drin steckt, obwohl Bio darauf steht, bleibt für mich fraglich.
Im Gegensatz zum vorgeschriebenen EG-Öko-Mindeststandard: Hochwertige Bio-Produkte von bekannten Herstellern, die teilweise sogar nach eigenen, sehr strengen Kriterien arbeiten und Bioprodukte nicht (nur) aufgrund hoher Margen und Profite (was nicht heißen soll, dass man dort nicht vielleicht auch gerne Geld verdient) herstellen, sondern in ihrer Art zu Handeln tatsächlich auch eine Lebenseinstellung sehen.
Anfang 2009 wird die Situation nicht besser werden. Dann wird es ein europaweit einheitliches Biosiegel geben. Um dieses Siegel zu bekommen, müssen die entsprechenden Produkte gar nicht zu 100% aus ökologischer Erzeugung stammen. Das wäre nicht weiter dramatisch, wenn sich Kunden weiterhin auf die Authentizität der privaten Labels verlassen könnten - doch diese werden gar nicht mehr damit werben dürfen, dass sie "besser" oder "echter" sind. Denn diese nach strengeren Kriterien produzierten Artikel verursachen zwar höhere Kosten bei der Herstellung, dürfen aber zukünftig nicht mehr als hochwertiger beworben werden.
In der Konsequenz werden viele Verbraucher dann nicht mehr zwischen hochwertigen, mitunter ganzeinheitlichen Produkten und solchen, die gerade mal die EU-Vorgabe erfüllen, unterscheiden können. Am Ende könnte passieren, dass sich "Bioprodukte" nur noch vom Preis unterscheiden - ein fataler Irrtum, der auf Kosten von engagierten Herstellern geht, zugunsten der preisagressiven Handelsketten.
Ich werde mich davon jedoch erstmal nicht beeindrucken lassen und bei meiner Sortimentsgestaltung hier im Markt weiterhin auf die authentischen Bio-Marken setzen. Wer weiß, wie die Situation in 2,5 Jahren aussieht...
In der aktuellen Ausgabe der ZEIT findet man den Artikel "Grün und gefährdet", der sich ausführlicher mit dem Thema beschäftigt.
PS: Dieser Beitrag ist auch im Tagebuch auf der Website Die Gesellschafter online zu finden.
Trackbacks
Olis Welt am : Europa
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Wir könnte soviel erreichen, wenn wir den Eurpoäischen Gedanken durchsetzen würden. Aber was passiert statt dessen?
Die neue Verordnung der EU-Kommission würde vieles offen lassen. Zwar wären die Begriffe »Bio« und »Öko« weiterhin geschützt, doch würde
Der Shopblogger am : Zwergenaufstand im Ökoland
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Es war einmal vor langer Zeit...
Die Zeiten haben sich gravierend geändert. Unsere guten Ergebnisse (bio&fair) werden gewiß von den Kollegen nicht mehr nur als Nischenerfolg gewertet werden, wir sind schließlich keine Exoten mehr.
"Fast jede Woche e
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Kommentare
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Lino am :
rotor am :
Björn (aber ein anderer) am :
Oder sollen die heutigen Labels ganz verboten werden?
Matthias am :
Macht sich gut. Glückwunsch.
Michael Kühnert am :
Wenn also durch Vereinheitlichung von Marken einzig der Preis als Unterscheidungsmerkmal zwischen Produkten übrigbleibt, stehen Gewinner und Verlierer schon fest. Und das scheint gewollt zu sein.
Die Steuerung über den Preis ist jedoch erstens zu simpel, weil die in der Biobranche beispielhaft erkennbaren Unterschiede zwischen den Produkten und der dahinter stehenden Philosophie sich nicht in eine Zahl fassen lassen, und zweitens ungerecht, weil Geld und die Möglichkeit, Geld zu erhalten, ungleich verteilt sind. Zumal das Geld schon in sich durch den Zinseszinsmechanismus auf Umverteilung angelegt und keineswegs ein neutraler Tauschvermittler ist. Das ist aber insgesamt keine große Neuigkeit, denn Menschen, die gleicher als alle anderen waren, gibt es schon sehr lange. Scheinheilig ist es nur, in dem Zusammenhang Chancengleichheit und Gerechtigkeit, vielleicht sogar von "fairem Wettbewerb" sprechen. Was geschieht eigentlich mit den Verlierern des fairen Wettbewerbs?
Vergessen wird bei der großen Vereinheitlichung zudem, dass Regionalität und Angepasstheit an örtliche Verhältnisse zur gleichen Zeit Versorgungssicherheit und Vielfalt bedeuten. Die Geschichte der irischen "potato famine" oder aktuell der Befall der Cavendish-Bananen zeigen die Unsicherheit von Monokulturen auf, die Gefahren der Abhängigkeit von einer einzigen Lebensgrundlage. Auch das Geld ist strukturell betrachtet eine solche Monokultur, wenn alles von ihm abhängig ist: Man betrachte sich einmal das Zustandekommen und die Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise Ende der 1920er-Jahre.
In den USA steht derzeit der National Uniformity for Food Act zur Verabschiedung an, das landesweit die Kennzeichnung von Nahrungsmitteln vereinheitlichen soll. Selbst in Bundesstaaten, die bisher strengere Kennzeichnungspflichten hatten, wären diese damit unzulässig. Was in der EU mit dem Biosiegel passieren könnte, ist also kein Einzelfall.
Alle Menschen, denen klar ist, dass man ist, was man isst, können sich aber der großen Gleichmacherei entziehen. Sie können bewusst regional kaufen, örtliche Gärtnereien und Bauern unterstützen, sich mit verantwortungsvollen und sachkundigen Einzelhändlern wie Björn beraten, selbst gärtnern, sich mit Nachbarn und Freunden zu Einkaufsgenossenschaften zusammenschließen, und der bunten Werbewelt der großen Firmen keine Beachtung schenken. Und sich politisch engagieren. Kurzum: Vertrauen aufbauen und kooperieren, nicht allein auf Siegel schauen.
Ich stimme Björn zu, dass die Lage in diesem konkreten Fall in ein paar Jahren wieder ganz anders aussehen kann, als es jetzt den Anschein hat, und rufe dazu auf, sich nicht ins Bockshorn jagen zu lassen. Es ist schade, dass derzeit die große Wirtschaft die Politik jenseits aller Vernunft im Griff hat, aber auch dieser Wind wird sich eines Tages wieder drehen. Alleine schon durch die Energiefrage könnten weltweite Warenströme bereits in absehbarer Zeit schlichtweg zu teuer werden, und Regionen, die dann noch für ihre eigene Lebensgrundlage sorgen können, einen großen Vorteil haben.
rotor am :
folgt ja so ein wenig dem grundsatz: "global denken, lokal handeln". problem bei dem alternativen kauf ist der aufwand der teilweise zu betreiben ist in form von informationen beschaffen, netzwerke knüpfen und solchen einfachen dinge wie die erreichbarkeit durch mobilität. deswegen hat sich das derzeitige biosiegel als sehr praktisch erwiesen da es mehr und mehr auch in dem discount nebenan zu finden ist und eigentlich bedenkenlos zugegriffen werden kann.
viele werden diese produkte mit dem EU BIO siegel kaufen und denken sie hätten bio, die aufklärung wird da nicht so weit reichen das alle die die gerne würden auch können - ein ähnliches problem wie mit den produkten die gen-manipulierte zutaten enthalten derzeit.
nun, bei uns gibt es ne einkaufskooperative - die haben einen kleinen supermarkt in dem man als mitglied bio artikel zum fast großhandelspreis bekommt. wird zeit endlich mal da mitglied zu werden
Cator am :
Bin jetzt auch Mitglied so einer Genossenschaft (Kernbeisser) und sollte damit auch nach 2009 ökologisch sinnvoll fahren. Es ist sogar häufig billiger als der Supermarkt. ^^
Das Problem dieses Konzepts ist eigentlich (nur), das sich jemand finden muss der den Laden aufmacht und eine gewisse Menge Leute mobilisiert.
Claudia am :
qwertz am :
Andre Heinrichs am :
Klaus am :
Es ist heutzutage teilweise echt schwer z.B. nicht abgepacktes superbillig-Hackfleisch zu bekommen, bei dem sowohl Erzeuger als auch Tier "ordentlich" behandelt wurden.
Sehr schoen sind auch die Dumpingpreise bei der Milch im Moment. Es ist echt irritierend, wenn Milch teilweise weniger kostet als die gleiche Menge Wasser...
bed am :
Ist teuer, aber mit Sicherheit kein misshandeltes Stallvieh und schmeckt sehr gut
Dadurch, das man die geschlachteten Tiere als Ganzes sieht, finde ich, behält man den Respekt vor dem getöteten Tier, was ich als wichtigen Aspekt für mein Verhalten erachte.
Alixt am :
'...In der Konsequenz werden viele Verbraucher dann nicht mehr zwischen hochwertigen, mitunter ganzeinheitlichen Produkten und solchen, ...'
Kirstin vom Saftblog am :
Das Biosiegel sagt noch lange nicht aus, daß das Produkt welches es trägt, auch nach den verlangten Kriterien erzeugt bzw. verarbeitet wurde. Jetzt genauso wenig wie in einigen Jahren.
Mehr dazu gibt es in diesem Eintrag (der untere):
http://www.walthers.de/blogs/index.php?m=20060208
Gerhard Zirkel am :
Wenn ich wirklich Bio will, dann suche ich mir meine Bezugsquelle sehr sorgfältig aus, egal ob sie ein Siegel hat oder nicht.
Viele meiner Lebensmittel kaufe ich direkt bei einem Bauernhof. Dem Landwirt vertraue ich, auch wenn er nicht von irgendwem kontrolliert wird.
Ich denke, der Trend wird allgemein in diese Richtung gehen. Wer sich dafür interessiert, was er jeden Tag zu sich nimmt, wird sich seine Quellen schon suchen. Und der Rest der Menschheit muß halt das essen, was auf den Tisch (ins Regal) kommt.
Gerhard Zirkel