Am Samstag Abend, wenige Minuten nach null Uhr, standen noch drei junge Männer an der Kasse. Die Eingangstür war schon abgeschlossen und die drei waren unsere letzten Kunden für diese Woche. Da fiel mir auf, dass wir noch viele Brötchen übrig hatten. Um den Kunden eine Freude zu machen und natürlich nicht ohne den Hintergedanken der Kundenbindung durch diese nette Geste (man ist ja schließlich Geschäftsmann), bot ich den drei die Brötchen als Geschenk an.
Sie sprachen kaum Deutsch und so erklärte ich auf Englisch, was ich wollte. Die drei freuten sich sehr und packten auch gleich zwei Dutzend Brötchen ein. Währenddessen redeten wir noch etwas miteinander und dabei kam heraus, dass sie aus England kommen und gerade nur als Rucksacktouristen durch Deutschland reisen.
Grummel. So viel zum Thema "Kundenbindung". DIE sehen wir hier bestimmt nicht so schnell wieder.
(Macht aber nichts. Sie haben sich sehr gefreut und bei uns wären die Brötchen sowieso nur umgekommen.)
Zwei junge Männer und eine Frau wollten Bier kaufen. Sie brauchten zwar noch mehr Hopfenkaltschale, aber auf jeden Fall fiel ihre Entscheidung schonmal auf eine Kiste mit 30 Flaschen, welche die Frau mit beiden Händen festhielt.
Rund zehn Minuten überlegte das Trio noch, welche Secherträger sie außer dem ausgewählten Kasten noch mitnehmen wollten. Die ganze Zeit hielt die Frau die Kiste fest.
Ich bin ja kein Schwächling, aber zehn Minuten würde ich so eine Bierkiste freiwillig nicht in den Händen halten, wenn es nicht sein müsste.
Ein recht heruntergekommener Typ hat in der Nacht den Alarm der Warensicherungsanlage ausgelöst. Der junge Mann beteuerte, nichts eingesteckt zu haben, aber trotzdem musste Kollege Johny der Ursache für den Alarm auf den Grund gehen und das geht nunmal am einfachsten mit dem Handchecker.
"Ich hol' mal eben die Kelle!", sagte er zu meinem Kassierer und der Hagere nahm beide Hände bis auf Schulterhöhe hoch und stellte sich leicht breitbeinig und stocksteif hin. "Was ist los?", fragte mein Mitarbeiter und der Typ antwortete: "Na, ihr Kollege hat eben was von 'Kelle' gesagt und ich dachte, der will mich jetzt verprügeln."
Na, so schlimm sind meine Mitarbeiter dann doch nicht.
Alarmauslösend war übrigens nur ein (warum auch immer...) nicht entwertetes Sicherungsetikett in seinem Sweatshirt.
Gesprächsfetzen, den ich mitten im Laden aufgeschnappt habe. Ein etwa fünf- bis sechsjähriger Jungen sagte zu seiner Mutter: "Ich möchte auch auf den Freimarkt, aber wehe, wir gehen in die Achterbahn."
Gibt es viele Eltern, die ihre Kinder in eine Achterbahn prügeln?
Eine Kundin, die sich von uns mit Ware beliefern lässt, hat meinem Boten eine große Tüte mit Leergut mitgegeben. Dabei handelt es sich um viele durchsichtige Plastikflaschen ohne Etiketten – und damit ohne die Chance, sie überhaupt als Pfandflaschen zu identifizieren.
Die Kundin nahm es locker und versprach, sich in Zukunft die Zeit nicht mehr damit zu vertreiben, dass sie die Etiketten abknibbelt.
Eine Kollegin erzählte mir eine kleine Geschichte. Sie war mit ihrem Kind beim Arzt gewesen und dort hat die Sprechstundenhilfe dem Kleinen einen Müsliriegel angeboten. Nicht nur irgendeinen Müsliriegel, sondern unsere Eigenmarke aus der Großpackung. Die Arzthelferin erklärte auf Nachfragen, dass ein älterer Mann sich um seine drei Enkel kümmert und daher öfter in der Praxis sei und bei jedem Besuch einige der Müsliriegel mitbringe. "Für mich, meine Kolleginnen und den Doktor.", erklärte sie. Und weiter: "Und niemand von uns mag die ollen Dinger, aber keiner mag es ihm sagen – und so verschenken wir sie immer."
Wir haben einen älteren Kunden, der die Riegel regelmäßig wöchentlich in großen Mengen kauft. Ob es sich dabei wohl um die selbe Person handelt?
Ein sehr alter, gebrechlicher Stammkunde von uns kaufte langsam und umständlich ein. Nach etwa 1,5 Stunden wandte er sich an einen meiner Mitarbeiter und vertraute ihm mit schwacher und leiser Stimme an, dass er vermutlich seinen Haustürschlüssel irgendwo in einem der Regale hier im Laden liegengelassen hat. Er wäre schon die ganze Zeit am suchen, könne ihn aber nicht finden.
Mein Mitarbeiter holte mich zur Hilfe und gemeinsam suchten wir einmal grob den Laden ab. Leider wussten wir gar nicht genau, wonach wir suchen mussten. War es ein einzelner Schlüssel? Oder ein Schlüsselbund, möglicherweise sogar in einem Schlüsseletui? Auch auf Nachfragen antwortete der Kunde nur mit "Schlüssel".
Nachdem wir die Suche aufgegeben hatten, sprachen wir erneut mit dem Kunden. Ob er Kinder habe, die vielleicht einen Zweitschlüssel für seine Wohnung hätten, fragten wir. Die Antwort fiel recht knapp aus und half uns kein Stück weiter: "Da sind keine Kinder in der Wohnung." Hausmeister, Nachbarn und Bekannte sollen auch nicht über eine Schlüsselkopie verfügen.
Da gab es nur eine Möglichkeit: Ein Schlüsseldienst musste ihm die Wohnung öffnen. Mit etwas Glück würde der vermisste Schlüsel ja sogar vielleicht noch sicher auf dem Küchentisch liegen. Ich nahm also den alten Mann ins Schlepptau und wollte mit ihm zum Schlüsseldienst nebenan gehen. "Nicht da hin.", meldete sich mein Kunde zu Wort, als wir schon vor der Tür standen. "Ich kenne einen anderen." Ich ging nochmal kurz in meinen Laden zurück und meldete mich für ein paar Minuten ab. Danach folgte ich mit kleinen Schritten dem Mann mit dem Rollator, den er langsam über den Fußweg schob. Schlüsseldienste gibt es hier in der Gegend etwa so viele wie Dönerbuden und schon an der nächsten Straßenecke machte mein Kunde Halt. "Warum hier?", dachte ich noch. Mein Nachbar leistet gute Arbeit und hätte die Tür sicherlich genauso gut öffnen können.
Die Antwort folgte im Inneren des kleinen Ladens:
Der Herr im grauen Kittel sah uns an, lächelte und sagte zu dem alten Mann: "Hallo, Herr Meiermüllerschulz. Na, haben Sie mal wieder Ihren Schlüssel verloren? Dann mache ich ihnen gleich mal wieder einen neuen. Ein Exemplar davon habe ich ja immer hier im Tresor liegen..."
Während ich gerade in der Gemüseabteilung stand und die Bestellung für morgen notierte, sprach mich eine Kundin an: "Sie wissen das bestimmt auch nicht, oder?"
Warum sie ihre Frage nach Kaffeefiltern mit diesen Worten begann, ist mir übrigens völlig schleierhaft.
Während ich vor dem Kühlregal hockte und mit dem Schlauch deutlich sichtbar heißes Wasser in die Technik spritzte, sprach mich eine Kundin an: "Na, kaputt?"
Ja, aber wir erproben hier gerade eine neue Methode, mit der man defekte technische Geräte durch eine Behandlung mit Leitungswasser wieder gangbar machen kann. Das wird den Beruf des Kfz-Mechanikers revolutionieren. Zum Glück nicht. Ich mache hier nur sauber.
Es ist manchmal echt abstrus, was in den Köpfen mancher Kunden vorzugehen scheint. Einzelhändler seien verpflichtet, jeden Artikel zurückzunehmen. Nein, sind wir nicht. Das ist zwar inzwischen eine Form von Kundenservice vieler Firmen, aber einen Anspruch hat man darauf nicht. Für abgelaufene Ware müssen wir auch keine fünf Euro auszahlen. Gibt es das überhaupt noch? Eine Zeitlang haben das manche Unternehmen gemacht, aber das hatte nicht zur Folge, dass Kunden auf diese Leistung grundsätzlich und für alle Zeiten in jedem Supermarkt bestehen können.
Und auch, wenn die Werbung beinahe sämtlicher Handelsketten von Montag bis Samstag dauert – tzja, auch darauf besteht kein Rechtsanspruch. Wir hatten diese Woche nämlich einen Whiskey im Angebot. Da mir aber die zum Werbepreis bestellte Ware ausgegangen ist und ich nun mit jeder regulär bestellten Flasche gleich mehrere Euro draufzahlen würde, habe ich gestern das Fensterplakat und sämtliche Werbeschilder im Laden entfernt und den Preis wieder raufgesetzt.
Tzja – und prompt kommen Kunden an, wollen 5 Kartons davon kaufen und fangen an darüber zu diskutieren und behaupten sogar, dass es sogar gesetzlich so geregelt wäre, dass die Angebote bis zum Wochenende zu laufen haben.
Ein kleines Mädchen rief durch den halben Laden seiner Mutter etwas über ihre neueste Entdeckung im Süßwarenregal zu: "Mama, dieser Mäusespeck ist ohne Fett. Du machst ja Diät aber das darfst du trotzdem essen."
Eine ältere Kundin, für die ihre Haushaltshilfe bei uns eingekauft hatte, rief an und beschwerte sich: "Sie haben ja nur die Hälfte auf dem Kassenzettel aufgeschrieben. Da fehlen ganz viele Sachen."
Ich habe sie nun darum gebeten, doch einfach bei ihrem nächsten Besuch bei uns den Kassenbon mitzubringen. "Nicht aufgeschrieben" kann ja gar nicht sein. Technisch denkbar wäre, dass der eine oder andere Artikel ungescannt durchgerutscht ist. Aber gleich "die Hälfte"?
Am Telefon konnte ich dazu natürlich leider gar nichts sagen. Mal sehen, ob der Kassenbon aussagekräftiger ist. Normalerweise beschweren sich Kunden ja nur, wenn sie zu viel bezahlen mussten...