Eine ältere Stammkundin, der ich wahrscheinlich niemals etwas Böses zugetraut hätte, hat sich eben hier mitten im Laden in aller Seelenruhe ein paar Dinge in die Tasche gesteckt. Ich wäre gar nicht auf die Idee gekommen, sie genauer zu beobachten, wenn sie nicht zufällig mit ihrem
Rollator den kompletten Gang blockiert hätte, durch den ich gerade gehen wollte.
Ich stand also fast genau hinter ihr und beobachtete geduldig, wie sie in einem Aufbau mit hochwertigen Pralinen kramte. Sie hatte mich nicht bemerkt und versuchte plötzlich, eine der Packungen in ihrer Jackentasche verschwinden zu lassen. Da dies nicht paßte, legte sie sie wieder zurück und schob weiter.
Aufmerksam geworden, beobachtete ich sie in den folgenden Minuten genauer. Auf einmal stand sie vor dem Niederegger Marzipan und suchte sich aus der Plazierung ein großes Marzipanbrot aus. Sie stand mitten im Laden und hat nicht einmal versucht, das Stück unauffällig verschwinden zu lassen. Nein, sie schob die für den Kauf bestimmte Ware in ihrem Wagen beiseite, öffnete die darunter befindliche Handtasche, legte das Marzipan hinein, verschloß die Tasche und deckte ihre Lebensmittel wieder darüber.
Hinter der Kasse sprach ich sie an und bat sie, mir ins Lager zu folgen, was sie auch tat. Ich bemühte mich, freundlich mit ihr zu sprechen. Wenn ich bestohlen werde, löst dies immer wieder in mir einen ziemlichen Adrenalinschub aus und deshalb bin ich bei Ladendieben eigentlich grundsätzlich ziemlich sachlich und entsprechend knapp angebunden. Nicht beleidigend, aber auch nicht mehr nett.
Nachdem sie erst gar nichts zugeben wollte, öffnete sie dennoch ihre Tasche - und ich traute meinen Augen nicht: Neben dem Marzipanbrot lagen dort nämlich noch andere Dinge vom Schokoladenhersteller Hachez.
Mit der Alten sprach ich freundlich, aber sicherlich auch deutlich lauter als normal. Plötzlich sagte sie zu mir: "Sie brauchen hier nicht so zu schreien." Und ergänzte noch: "Sie sind ganz schön ungezogen."
Ungezogen. So, so... Das petz' ich meiner Mami.
Ich ersparte ihr das volle Programm, habe also weder die Polizei gerufen noch überhaupt die Personalien aufgenommen. Um das Hausverbot ist sie dennoch nicht herumgekommen. Hab' schließlich keine Lust, zukünftig immer hinter ihr herzurennen, wenn sie wieder im Laden ist.
Mit
so einer Antwort von ihr hatte ich allerdings in dem Moment auch nicht gerechnet: "Sie sind hier so unfreundlich, hier komme ich nicht wieder her."
Ach, was. Gut erkannt.