Vorgeschichte: Meine Frau hatte vor Jahren mal einen Kefirpilz, den sie
mehr oder weniger regelmäßig mit Milch "fütterte", weshalb er dann irgendwann einging. Wie auch immer: Kefirpilze sehen aus wie Blumenkohlröschen und sind ein bißchen glitschig. Wenn man sie in einer Schüssel mit Milch bedeckt stehen läßt, entsteht ein Milchgetränk, das allgemein als
Kefir bekannt und in ähnlicher Form im Handel ist. "Industriell hergestellter und im Handel angebotener Kefir entspricht normalerweise nicht dem traditionell mit Kefirknollen hergestelltem Getränk. Damit das entstehende Getränk immer den gleichen Geschmack besitzt, wird industriell mit einer definierten Mischung verschiedener Bakterien und Hefen gearbeitet, welche die komplexe Zusammensetzung der Mikroflora von Kefirkörnern nicht vollständig nachahmen können."
Kefirmilch ist sehr gesund und schmeckt nicht so säuerlich, wenn sie mit Zucker oder Honig gesüßt wird.
Im April fragte mich eine ältere Kundin, ob ich ihr einen Kefirpilz besorgen könnte. Sie hatte schon alle möglichen Quellen abgegrast und war auch im Reformhaus nicht fündig geworden. Durch die Erfahrungen mit dem Kefirpilz meiner Frau wußte ich wenigstens, wovon sie redet, in der Familie meiner Frau war aber auch kein Kefir mehr am Leben. Da ich selber auch keine Bezugsquelle wußte, hängte ich eine Anzeigenkarte ("Von Kunde zu Kunde") an unser Schwarzes Brett im Markteingang. Eine weitere Kundin las den Aushang und bat uns, ihr bitte unbedingt per SMS Bescheid zu sagen, sobald wir einen Kefirpilz gefunden hätten. Sie arbeitet auf dem Wochenmarkt bei einem Bio-Bauern und hatte auch dort bei ihren Bio-Kunden verzweifelt und vergeblich nach einem Kefirpilz gefahndet, seit sie von einer Freundin über die gesundheitlichen Segnungen des Kefir aufgeklärt worden war.
Wochenlang passierte gar nichts, bis sich dann Mitte Juli eine andere Kundin meldete, die gerne bereit war, ihren Kefir zu teilen. Die Besitzerin des Kefirpilzes wollte auch gar nichts dafür haben und war regelrecht froh, den Überschuß loszuwerden. Wir haben ihr aber trotzdem einen schönen Blumenstrauß vom "Blütenfreund", unserem kleinen selbständigen Blumenlieferanten, geschenkt.
Ähnlich wie
Hermann teilen viele Leute gerne ihren Kefir, weil er wächst und gedeiht. Wenn man ihn nur pflegt. (siehe oben)
Gestern hat die jüngere Bio-Kundin ihren Kefirpilz abgeholt und ist meiner Frau vor Freude um den Hals gefallen. Da wir uns mit vielen unserer Kunden duzen, kann sowas schon mal vorkommen. Ist doch nett! Die persönliche Ebene wie in einem Tante-Emma-Laden versüßt mir immer wieder meinen Alltag.
Heute Nacht um 23:32 Uhr kam eine SMS: "Ich bin total begeistert, verliebt, kraule ihm den Rücken. Hab aber Angst, etwas falsch zu machen. Ist es richtig, ihn unter Wasser zu waschen, bevor man ihn in neue Milch gibt? Ich besuch' Dich nächste Woche im Laden und frage nach, was mir noch fehlt. Danke, K."
Na, da ist der Kleine ja in gute Hände geraten
Und ja, man darf ihn waschen. Nur nicht zu oft. Einmal in der Woche reicht.
Und bei uns im Pausenraum steht jetzt ein Kefir für den Eigenbedarf...
Nachtrag: Dieser Artikel erschien (absprachegemäß einen Tag früher als hier) gestern als Kolumne bei
Citybeat. Ich kann „El Cheffe“
Bace,
Betreiber der Neuen Welt und mein Vorgänger als
Kolumnist bei Citiybeat verstehen. Er hatte die
Kolumne wahrscheinlich eingestellt, weil es nur negative Kommentare gab. Wenn Kommentatoren sich in erster Linie als Literaturkritiker verstehen, macht das Schreiben echt keinen Spaß.