Ein Mann betrat den Bereich vor dem Leergutautomaten und ließ reflexartig seinen Blick in den dort stehenden Müllbehälter wandern. Nach kurzer Suche zog er einen Papierschnipsel aus dem Müllsack, den ich über die Videoanlage ziemlich eindeutig als einen der Spendenbons aus dem Leergutautomaten identifizieren konnte.
Diese Bons haben keine weitere Funktion und können an der Kasse auch nicht eingelöst werden, aber leider lässt sich der Druck auch nicht deaktivieren. Ob der Mann das alles wusste, kann ich nicht sagen – auf jeden Fall hat er den Beleg schließlich in unsere Elepfandspendenbox gesteckt.
Das hat zwar niemandem geholfen, vor allem keinem Elefanten, aber ich fand die Aktion trotzdem sehr nett und aufmerksam.
Immer wieder liest man in den asozialen Netzwerken von irgendwelchen Geschichten, dass fremde Leute einfach spontan die Einkäufe für andere bezahlt hätten. Bislang hatte ich sowas für urbane Legenden oder durch Geltungssucht ausgelöste Selbstdarstellungen gehalten.
Aber alleine bei uns ist sowas in den letzten zwei Wochen zweimal passiert. Einmal war eine Frau hier an der Kasse zusammengebrochen. Mitten im Bezahlvorgang war es, als wenn sie plötzlich einfrieren würde und nach drei Sekunden kippte sie einfach nach hinten um. Eine andere Kundin hatte sich um sie gekümmert bis der RTW kam. Den Einkauf der Ersthelferin bezahlte ein weiterer Kunde für sie. Einfach so.
Einige Tage später wollte eine Frau ihren Einkauf bezahlen und griff sich von oben in ihren Ausschnitt, um ihre Bankkarte aus dem BH zu ziehen – nur hatte sie diese wohl zu Hause vergessen. Der Kunde hinter ihr übernahm die Rechnung spontan, was immerhin etwas über 20 Euro waren.
Am Vorabend wollte jemand, der hier ohnehin Hausverbot hatte, noch um ziemlich genau 22 Uhr in den Laden. Ein Kollege hielt ihn davon ab: "Wir haben eigentlich Feierabend. Nette Menschen würde ich noch reinlassen, aber du gehörst nicht dazu."
"Ich bin auch nett", antwortete dieser. Aber bei Ladendieben sind wir nachtragend und bis wir da jemanden wieder als "nett" durchgehen lassen, muss einiges passieren. Mein Mitarbeiter ließ ihn dennoch nicht rein, was der Typ als Anlass nahm, sich vermutlich unbeabsichtigt von seiner Aussage "nett" zu sein, ganz weit zu distanzieren. Er warf mit Beleidigungen um sich ("Hab' ich dir was getan, Du Hurensohn?!") und tat noch so, als würde er draußen gegen unsere Wand schiffen wollen.
Ein Stammkunde hatte einen aus nur einer Handvoll Teilen bestehenden Einkauf, musste jedoch an der Kasse feststellen, dass er sein Portemonnaie vergessen hatte. Die Artikel wurden an der Kasse deponiert, er lief nach Hause.
Nach einer Weile klingelte das Telefon. Der Anrufer war der Kunde, der sein Geld vergessen hatte. Er wollte uns nur darüber informieren, dass er so lange sein Portemonnaie gesucht hatte, dass er jetzt nicht mehr wiederkommen könne – und wir sollen die Sachen doch bitte wieder verräumen. Kein Problem für uns.
Das ist doch mal sehr aufmerksam von dem Kunden gewesen.
Mit einem Kunden kam ich an einer der Tiefkühltruhen ins Gespräch. Eine der Fischpackungen war irgendwie mal aufgerissen und wurde mit Klebeband verschlossen. Das ist der (in der Schachtel noch in Folie verpackten) Ware völlig egal, aber es sieht halt nicht so toll aus. Der Mann erkundigte sich, ob er die Packung etwas günstiger bekommen würde. Aus vier Euro machte ich drei und er freute sich und sprach ein Lob aus: "Ihr seid übrigens ein toller Laden."
Ich antwortete mit einem Grinsen: "Ich hoffe, dass uns nun nicht nur auszeichnet, dass ich eine angeditschte Packung jetzt auf Wunsch billiger gemacht habe."
"Neinein, auch sonst. Ihr habt hier echt eine große Auswahl und die Leute sind immer alle nett, vor allem auch an der Kasse. Ich finde das toll."
Ein Kunde sprach mich an: "Sie waren doch früher mal bei PLUS, da hinten in der Kornstraße, oder? Das ist doch bestimmt schon zwanzig Jahre her..?"
Ja, es ist zwanzig Jahre her. Faszinierend, aber aus persönlicher Sicht auch unglaublich nett, dass sich nach all den Jahren überhaupt noch jemand daran erinnert.
Ein Stammkunde kam mit einem unserer neuen Einkaufswagen in den Laden und sprach mich an: "Hier, der stand in der Ottostraße. Hat irgendjemand da stehengelassen. Ich hab dir den mal wieder mitgebracht, kosten ja auch Geld."
Danke, ernsthaft.
Die Dinger kosten rund 100 Euro pro Stück. Ab einem gewissen Alter ist es fast egal, wenn die Einkaufswagen einfach so verschwinden, Schrottwert gegen Entsorgungsaufwand gerechnet. Aber gerade mal sechs Wochen alte Einkaufswagen sind echt zu schade. Dass die Leute keinen Anstand haben und sowas einfach mitnehmen und vor allem irgendwo stehenlassen …
Der Typ war auch mal wieder bei uns. Hat es zumindest versucht, Gregor hinderte ihn daran, bzw. forderte ihn auf, zu den Laden zu verlassen. Da der Mann auf "Davai, davai!" und "Chop-chop!" nicht reagierte, wurde er kurz laut und unsanft.
Wortmeldung eines Unbeteiligten: "Das geht auch netter!"
Gregor Antwort würde ich ebenfalls unterschreiben: "Hej, zu allen, die meinen Arbeitsplatz NICHT gefährden, BIN ich voll nett!"