Wow. Ganz großes Wow. Einer der drei Jungs, die sich hier am Ende der letzten Woche an der Schokolade vergriffen hatten, kam zu mir, bat um Entschuldigung und hat mir diesen Brief in die Hand gedrückt:
Liebe*r Herr / Frau Harste,
es tut mir aufrichtig Leid, dass ich am Freitag Vormittag bei Ihnen versucht habe zu klauen und dann noch frech zu Ihnen war.
Ich habe ohne Sinn und Verstand gehandelt, ich sehe mein Vergehen als großen Fehler ein. Zum Glück haben Sie mich erwischt und die Polizei gerufen, sonst hätte ich vielleicht bei Ihnen und anderen Läden weitergeklaut.
Ich glaube zwar nach wie vor nicht, dass er zum ersten mal sowas getan hat, aber vielleicht hatte die Rosskur mit Polizei und dem vollen Programm, das bei einem Kind/Jugendlichen ja noch nicht ganz so voll ist, wie es sein könnte, ihn ja tatsächlich wieder zurück auf den Pfad der Tugend gebracht hat.
"Es ist Deine Zukunft, nicht meine. Aber wie soll es weitergehen? Jetzt ist es nur Schokolade. Und irgendwann reicht dir das vielleicht nicht mehr. Wie soll das enden? Willst doch irgendwann dein Leben im Knast verbringen?" Keine Ahnung, was der Junge in dem Moment gedacht hat, vielleicht war es wirklich nur die Hoffnung, dass der kurzhaarige Alte die Klappe hält, aber vielleicht kam von all dem ja auch wirklich bei ihm was an. Wäre jedenfalls wünschenswert.
Eine Kundin sprach einen Kollegen darauf an, dass in unseren Bake-Off-Regal die Reste von zwei angefressenen Donuts liegen würden.
Die Recherche in der Videoaufzeichnung ergab, dass ein etwa zehnjähriger Junge sich während seines kleinen Einkaufs mal eben schnell den Bauch vollgeschlagen hatten. Idiot.
Meine Fresse, dann soll er die Sachen wenigstens ganz aufessen. Aber das angegrabbelte und angebissene Zeugs wieder zwischen die andere Ware zu werfen, ist ekelig.
Eine Kundin, die ich für ein Kind und maximal 12 Jahre alt hielt, hatte unter anderem eine Flasche Sekt im Einkaufskorb lieben, die sie auch ziemlich souverän aus dem Regal genommen hatte. Neugierig positionierte ich mich in der Nähe der Kasse, denn ich wollte mal gucken, wie die Sache ausgeht. Wird sie die Flasche kaufen können? Eigentlich achten meine Mitarbeiter sehr penibel auf die Einhaltung des Jugendschutzes und der Altersgrenzen. Aber wie wird die Kleine reagieren, wenn sie eine Abfuhr bekommt? Oder ist sie gar kein kleines Mädchen mehr, sondern schon über 16 und wirkt nur noch so kindlich?
Nun: Dass das Mädchen nicht sehr groß war und tatsächlich maximal 12 Lenze zählte, ist von allen genannten Spekulationen die einzig richtige. Bei dem Sekt handelte es sich um eine alkoholfreie Variante, die wir ihr ganz legal verkaufen durften.
(Drei kleine Anekdoten, die Gregor vor und während meines Urlaubs gesammelt hat.)
Die Bastarde
Zwei junge Frauen mit mehreren Kleinkindern nähern sich der Kasse. Die Kinder liefen aufgedreht durch die Gegend und erschwerten ein zügiges Beladen des Kassenbandes. Die eine Frau, hübsch und geschminkt, verräumte den Einkauf, die andere, mit Kopftuch und etwas schlichter gekleidet, zahlte.
Die Kinder liefen und johlten weiter herum. Mir wäre es egal gewesen, aber ein bisschen peinlich berührt war ich von der Ansprache der einen Frau: "Alda, könnt ihr kleinen Affen mal aus dem Weg? - Ihr nervigen Bastarde!"
Bastarde? Als wenn es jemanden etwas angehen würde (oder sich dafür interessieren würde), ob diese Zwerge einst unehelich gezeugt wurden …
Eine Mutter und Stammkundin war mit ihrem Sohn im Kindergartenalter hier im Laden.
An einer Engstelle vorm Brotregal hatte ich mit dem Jungen einen kleinen Standoff. Er ging nicht weiter, ich kam aber aus der Sackgasse auch nicht so richtig raus, weil er mir ja im Weg stand.
Da meldete sich nach ein paar Sekunden die Frau mit leicht energischem Tonfall: "Du musst dich schon bewegen, jetzt stehen alle herum und können nicht weiter!"
Ich quetschte mich hektisch an dem Kleinen vorbei.
Das lachte die Mutter: "DICH meinte ich doch nicht."
Ein kleiner Junge im Grundschulalter musste mal auf die Toilette. Seine Mutter begleitete ihn mit in unsere Nebenräume, wartete dann aber vor der Toilettentür. Man hörte die Spülung, unmittelbar danach öffnete sich die Tür.
Es folgte eine unglaublich mühsame Diskussion darüber, dass der Junge nach dem Toilettengang seine Hände zu waschen hat. Er wollte nicht, seine Mutter verlangte es aber von ihm. Beinahe hätte sie den verbalen Schlagabtausch verloren, zumindest kam Ines und mir das so vor, denn wir hatten aus meinem Büro alles mitbekommen.
Bei bestimmten Wünschen (z. B. nach wie auch immer gearteten Konsumgütern) kann man das ja noch nachvollziehen, aber dass um solche grundlegenden Dinge überhaupt diskutiert werden muss …
Egal, wir halten uns da raus. Ich glaube, man kann sich mit nichts schlimmer in die Nesseln setzen, als anderer Leute Kindererziehung zu kritisieren.
Zwischen unserem Schrott hier auf dem Hof hatte ich in der Umbauwoche eine schmuddelige Postkarte mit einem anhängenden, geplatzten Ballon gefunden. Eigentlich finde ich diese Luftballon-Aktionen nicht gut, denn von jeder nicht gefunden Karte liegen irgendwo in der Natur oder in einem Gewässer die Karte mit Band und den Ballon-Resten.
Aber gut, die sollen sowieso irgendwann verboten werden – geben wir dem Kind die Chance, sich zu freuen. So klebte ich eine Briefmarke auf die Karte und steckte sie in den Briefkasten auf der anderen Straßenseite.
Inzwischen hat auch schon die Siegerehrung bei der Feuerwehr Emstek stattgefunden. Der Ballon, den ich gefunden hatte, war ja bloß ziemlich genau 50km geflogen und damit vom Gewinner-Ballon buchstäblich ganz weit entfernt.
Eine Mutter war mit einem "leicht" hyperaktiven Kleinkind im Alter unserer Kleinen (also ca. 4-5 Jahre) im Laden. Dauernd rief die Frau hinter dem Kind her und an der Kasse beklagte sich die Kundin bei meiner Mitarbeiterin beiläufig darüber, dass der Kleine immer so hibbelig und unruhig ist.
Nach dem Bezahlen öffnete die Frau noch im Laden direkt eine der beiden Coladosen, die sie soeben gekauft hatte, und drückte sie dem Jungen in die Hand.
Eine Mutter war mit ihrem etwa vier Jahre alten Sohn einkaufen. Der Kleine fing irgendwann an, "My Bonnie" zu singen. Aus voller Kehle und krumm und schief – aber doch immerhin mit größter Freude.
Seit ich meine Kleine habe, verwirft man bei sowas leichter mal den Gedanken, Amnestie International zu kontaktieren und auf besonders grausame Foltermethoden hinzuweisen, bei denen sich sogar den alteingesessenen Wärtern im Gulag der Magen umdrehen würde.
Vor einer Weile hat uns eine langjährige Stammkundin berichtet, dass sie so gerne zu uns kommt, weil wir so eine große Auswahl haben. Vor allem gibt es bei uns ein Produkt, auf das ihr Kind total steht und das es NUR HIER (zumindest die Läden hier in der Umgebung betreffend) geben soll.
Tzja – Erst denken, dann klauen.
Soll sie das mit dem Hausverbot mal ihrem Sohn erklären.
Eine Frau kaufte mit ihrer etwa vierjährigen Tochter bei uns ein. Eine ganz bestimmte Sorte Kaffee-Schokolade war gerade nicht vorrätig, woraufhin die Kleine ein ganz langes Gesicht machte.
Da steht und schmunzelt man erst mal. Wie viele Vierjährige stehen denn bitte auf Kaffee-Schokolade?
Eine Mutter hatte für ihren etwa vierjährigen Nachwuchs einen reduzierten Artikel aus der Restekiste im Kühlregal genommen und dem kleinen im Laden schon in die Hand gedrückt.
Auf dem Weg zur Kasse fand der Kleine es offenbar ganz lustig, am roten Sonderpreisetikett herumzuknibbeln und es in Einzelteile zu zerlegen.