Skip to content

Das ehrliche Leben

Ein Mann, der hier im Laufe der Zeit Ware in nicht unerheblichen Werten (mindestens ein mittlerer dreistelliger Betrag) geklaut und ohnehin seit Jahren schon Hausverbot hat, stand mit ein paar Gleichgesinnten vorm Laden. Ein Kollege hatte ihn durch die Scheiben erkannt und war nach vorne geeilt, um ihn daran zu erinnern, unseren Laden ja nicht zu betreten und sich im Idealfall auch gleich hier aus dem Umfeld zu entfernen. Wir können ihm zwar nicht verbieten, hier auf dem öffentlichen Gehweg herumzulungern, aber manchmal helfen solche Ansagen ja.

Der Typ fing an zu schwadronieren und erwähnte in dem Zusammenhang auch, dass er mal ein ehrliches Leben hatte. Das hat sicherlich jeder Mensch, zumindest in den ersten drei Jahren. Was dann aus einem wird, entscheidet das Umfeld. Die Aussage muss also nicht pauschal falsch sein.

Ein Mann ohne Beine, der immer bei uns vor dem Laden in seinem Rollstuhl sitzt und überwiegend still um Geld bettelt, hatte den Dialog mitbekommen und wäre vor Lachen fast aus seinem Rolli gekippt. "Ehrliches Leben, hahaha!", lachte er laut los.

Dauer-LD in der Seitenstraße

"Der B. lungert gerade mit einem anderen Typen vorm Laden herum", informierte mich eine Kollegin. "B." ist ein Ladendieb, der hier schon viel Schaden verursacht hat und der uns schon so oft besucht und von uns schon so oft angezeigt wurde, dass Ines seine persönlichen Daten inzwischen sogar schon auswendig kennt. Kein Witz.

Vor dem Laden herumzulungern ist leider nicht verboten und daher haben wir auch keine Handhabe, aber gucken wollte ich trotzdem mal. Ich ging nach vorne, trat durch die Tür – kein B. zu sehen. Ich spazierte die 20 Meter bis zur nächsten Seitenstraße, da hockten die beiden Männer nebeneinander auf einem Stromkasten, der dort steht.

Als B. mich erblickte kam gewohnte Attitüde in seinem üblichen schmalzigen Tonfall: "Guten Tag, der Herr, wie geht es Ihnen, der Herr?" Ich ertrage diesen Spruch nicht. Da hat man einen dabei erwischt, für fast hundert Euro Ware zu klauen und der redet einen direkt oder auch in der dritten Person mit "der Herr" an. Wahh! Ein dunkelviolettes Hämatom am Kinn wäre eine Zierde in seinem zarten Antlitz gewesen, aber das dachte ich nur.

Ich verdrehte erst die Augen und mich dann um und ging zurück.