Eine Frau stand vor dem Eierregal und hielt eine Packung mit zehn Bio-Eiern in der linken Hand. In der anderen Hand hielt sie ihr Handy, auf dem sie mit der Taschenrechner-Funktion den Preis für ein einzelnes Ei ausrechnete. Grübelnd stand sie dort und murmelte vor sich hin: "Das sind dann ja Zweiunddreißig Komma Neun Cent pro Ei."
Eine Kundin sprach mich mit einem leeren Karton in der Hand an:
Können Sie mal nachsehen, ob sie davon noch was haben?
Ich blickte ins Regal, stellte mich auf die Zehenspitzen und untersuchte auch, ob bei den Artikeln links und rechts des leeren Platztes noch etwas stehen würde. Fehlanzeige.
Nein, leider ist nichts mehr da.
Ich meinte hinten im Lager.
Da haben wir leider auch nichts mehr.
Zwei Kartons ist ein bisschen wenig, finden Sie nicht?
Normalerweise reicht die Menge.
Offenbar nicht, sehen Sie ja.
Auf jede weitere Diskussion oder Erklärungen wollte ich mich nicht einlassen. Natürlich ist es ärgerlich, wenn man ein gewünschtes Produkt nicht bekommt – aber welche Mengen hier angemessen sind, können wir bestimmt besser beurteilen. Es ist ja nicht so, dass der Artikel ständig nicht vorrätig wäre, nur weil wir zu doof sind.
Eine Kundin wollte etwas aus der Vegan-Vitrine haben. Da die beiden Fächer jeweils ein eigenes Schloss haben, stellte ich die übliche Frage: "Was darf's denn sein? Ober noch viel wichtiger: Oben oder unten?"
Sie antwortete: "Aus der Mitte, bitte."
Ich wies vorwichtig darauf hin, dass wir nur zwei Fächer hätten und schließlich konnten wir auf das untere der beiden einigen.
Das war nicht zu übersehen. Zumindest die Kernkompetenzen "Kühltruhendeckel wieder schließen" und "Waren nicht irgendwie ins Regal zurückwerfen" waren bei ihr nicht nennenswert ausgeprägt.
Eine Frau gab Leergut ab und hatte letztendlich noch ein paar Einweg-Bierflaschen aus Glas in ihrer Tasche, die der Automat nicht annehmen wollte. Zu Recht, da wir keine pfandpflichtigen Einweg-Gebinde aus Glas verkaufen und sie auch nicht aus Kulanz annehmen, um uns damit bei der Rückgabe nicht auch noch zu belasten.
Immerhin drohte sie nicht damit, uns beim Gesundheitsamt anzuzeigen, aber sie regte sich schon sehr über dieses Verhalten auf und wies lautstark und eindringlich darauf hin, dass wir hier "über 100 Quadratmeter" groß wären und damit auf jeden Fall verpflichtet wären, alles anzunehmen! Sie käme schließlich selber aus dem Einzelhandel und darum wüsste sie es ganz genau! (*)
Wie schön, dass ich hier mit Einzelhandel gar nichts zu tun und deshalb auch nicht den kleinsten Schimmer einer Ahnung von solchen Dingen habe. Da nimmt man doch solche hilfreichen Belehrungen immer wieder dankbar entgegen.
(*) Mal eben zur rechtlichen Situation beim Einwegpfand: Es ist so, dass Geschäfte ausschließlich das Einwegleergut in der Materialart zurücknehmen müssen, die auch dort verkauft wird. Wer Dosen verkauft, muss sämtliche Dosen zurücknehmen. Wer PET-Flaschen verkauft, muss alle zurückgebrachten Plastikflaschen zurücknehmen und die Geschäfte, die Einweg-Glasflaschen im Sortiment haben, müssen Einweg-Glasflaschen zurücknehmen. Und zwar ist es dabei egal, um welche Marken es sich handelt. Da kommt nun allerdings die Quadratmeterangabe ins Spiel: Geschäfte unter 200qm Verkaufsfläche brauchen nämlich nur das Leergut von den Marken zurückzunehmen, die sie auch selber verkaufen.
Eine Frau wollte etwas aus unserem verganen Sortiment kaufen, im Speziellen von den Artikeln, die in der kleinen Vitrine im Kühlregal eingeschlossen stehen.
Nachdem meine Mitarbeiterin den Schlüssel geholt und der Kundin auf ihre Anfrage erklärt hatte, dass diese Produkte in der Vergangenheit einfach zu oft geklaut wurden, regte diese sich demonstrativ auf, sagte, dass es eine Frechheit wäre, sie so zu diskriminieren und dass sie nicht stehlen würde und verließ daraufhin unseren Laden ohne etwas gekauft zu haben.
Eine Kunde beschwerte sich an der Kasse über einen anderen Kunden, der ihn vor dem Leergutautomaten aufgrund einer Meinungsverschiedenheit mit CS-Gas besprüht haben soll.
Statt irgendwelche Konsequenzen einzuleiten oder abzuwarten verließ der Mann direkt nach dem Bezahlvorgang mein Geschäft. Im Bereich rund um den Leergutautomaten war von Reizgas überhaupt nichts zu spüren – einzig ein riesengroßes Fragezeichen schwebt seit dem in der Luft…
Ein Kunde wollte Wurst zurückgeben, die er am Freitag gekauft hatte. Auch wenn er sich da in der Sorte vertan hat und er die gekaufte nicht mag – das ist nun einfach mal Pech für ihn. Kühlpflichtige Artikel zurückzunehmen ist sowieso immer problematisch bis unmöglich, aber woher soll ich denn wissen, wie die Ware die letzten fünf Tage verbracht hat? Abgesehen von den Außentemperaturen haben viele Leute ihre Kühlschränke "aus Energiespargründen" relativ warm eingestellt – vom mittlerweile reduzierten Haltbarkeitsdatum der Wurstpackung mal ganz zu schweigen…
Aber wenigstens hatte er Verständnis für unsere Situation.
Berechtigt es eigentlich zu einem Mord, wenn man von einem Kunden um diese Zeit fröhlich gefragt wird: "Na, ausgeschlafen?"
Oder geht das wegen der nicht vorsätzlich geplante Affekthandlung lediglich als Totschlag durch? Oder entlastet einen die vorangegangene Frage eventuell sogar vollständig?
Seit ein paar Stunden schon habe ich zwar dieses Gefühl, aber jetzt erst ist es mir richtig bewusst geworden: Wir haben heute auffällig viele Kunden, die sich hier im Markt nicht auskennen und auch vieles aus unserem Sortiment besonders kritisieren oder loben und darüber auch teilweise in kleinen Gruppen sehr ausgiebig diskutieren.
Es fällt schon auf, da wir hier ansonsten überwiegend Stammkundschaft haben. Weiß jemand mehr, ist gerade irgendeine größere Veranstaltung in Bremen los?
Eine ältere Stammkundin sprach mich eben an: "Es ist schön, dass Sie die BILD-Zeitung wieder haben."
Wahrheitsgemäß antwortete ich, dass ich dennoch überlege, den Schritt wieder rückgängig zu machen und dass die teilweise menschenverachtende Berichterstattung der letzten Wochen Grund genug dafür sei.
Antwort: "Ach, das ist egal. Wir lesen die immer und ich kenne noch ein paar andere alte Leute, die die hier auch immer kaufen."