Ein Mann kaufte mehrere Flaschen Spirituosen und Wein, nahm sich Tabak und Blättchen und dazu noch ein Päckchen Feuerzeuge und legte schließlich noch ein ein paar Convenience-Produkte dazu, Tiefkühlpizza und fertige Hot Dogs, und packte letztendlich noch zwei Tüten Chips dazu. Es sah nach einem ausgesprochen entspannten Wochenende aus und das wünschte mein Mitarbeiter an der Kasse ihm auch: "Dann wünsche ich doch ein schönes und entspanntes Wochenende."
Eine Kundin sprach mich an und wollte wissen, wo wir Schokolade hätten. Ich führte sie zu unserem Süßwarenregal und zeigte ihr unsere Auswahl. Nachdem sie rund zwei Minuten vor dem Regal stand und zumindest so tat, als wenn sie sich ernsthaft für eine Sorte entscheiden wollte, verließ sie den Laden schokoladenlos.
Ob sie überfordert wegen der großen Auswahl war? Immerhin durfte sie sich zwischen Zotter, Gepa, Milka, Ritter Sport, Marabou, Gut&Günstig Eigenmarke, Trumpf, Böhme, Schogetten, Alpia, Die Weiße, Ferrero, Aero und anderen kleineren Marken entscheiden.
Ein junges Pärchen kaufte ein. Während sie noch vor dem Cola-Regal stand, befand er sich schon auf dem Weg zur Kasse und war rund zehn Meter von ihr entfernt. Es ergab sich etwa der folgende und aufgrund der Entfernung nicht leise gesprochene Dialog, der darum auch in den anderen den Regalreihen nicht zu überhören war:
Sie: "Wie doll liebst du mich?"
Er: "Ich lieb dich total!"
"Nee, ehrlich jetzt."
"Wirklich. Ich schwör. Kein Scheiß. Ich lieb dich voll!"
"Wie sehr liebst du mich?
"So sehr, dass ich dich gleich ficken werde!"
Dann ging es auch schon gemeinsam zur Kasse. Leider. Wäre mal spannend gewesen, wie das wohl weitergegangen wäre…
Eine Kundin stand an der Fleischtruhe und rief einem mehrere Meter entfernt stehenden Kollegen zu: "Woher weiß ich denn, dass den Tieren kein Antibiotikum gegeben wurde?"
"Weil "bio" draufsteht."
"Da steht nichts von Bio."
"Dann nicht."
Sie nahm dann eine Packung tiefgefrorenes Bio-Hackfleisch.
(In der Bio-Haltung ist die Verabreichung von Antibiotika übrigens (bis auf ganz wenige Ausnahmen) generell verboten. In der konventionellen Landwirtschaft sollen zumindest die Wartezeiten bis zur Schlachtung lange genug sein, wenn Antibiotikum gegeben wurde. Also theoretisch braucht man so oder so keine Angst zu haben, ungewollt Antibiotika zu sich zu nehmen.)
Die Bestellung an Bio-Weihnachtsgeflügel fiel relativ bescheiden aus: Eine Gans, eine Ente, zwei Stücke Entenbrust, zwei Putenkeulen und drei Putenrollbraten haben meine Kunden vorbestellt.
Das Problem ist, dass die Zeit immer relativ knapp ist. Wenn ich die Unterlagen Mitte November bekomme und die Bestellung schon Anfang Dezember beim Lieferanten vorliegen muss, bleibt nicht viel Zeit. Ich könnte zwar die Flyer schon deutlich früher auslegen, aber da besteht natürlich das Risiko, dass sich das Sortiment oder die Preise noch verändern.
Eine Kundin kam mit einem ihrer Kontoauszüge zu uns in den Laden und beschwerte sich, dass wir ihr zu viel Geld abgebucht hätten: "166,41€ – da ist Ihrer Kassiererin eine sechs zu viel reingerutscht. Das kann nur ein kleiner Einkauf gewesen sein, also wohl 16,41€."
Da ich ihr nicht einfach auf gut Glück 150 Euro in die Hand drücken wollte, erklärte ich, dass ich dass ich das prüfen müsse und dass das eine Weile dauern würde. Die Frau war vollkommen entspannt und bot an, nach ihrem Frisörtermin wiederzukommen. Die Zeit nutzte ich, um die entsprechenden Belege (Ausruck aus dem ec-Terminal und am Rechner den Kassenbon) herauszusuchen.
Auf dem ec-Beleg stand 166,41€ drauf. Logischerweise, die Summe wurde auch abgebucht. Wenn da mal eine Differenz auftreten würde, hätte der Dienstleister wohl ein großes Problem.
Spannender war der Kassenbon: Der kleine Einkauf ergab tatsächlich nur 16,41€. Als "Zahlungsmittel gegeben" wurden allerdings 166,41€ gebucht, so das als Rückgeld 150€ herauskamen. Das war für mich ziemlich eindeutig ein zeichen dafür, dass sich die Kundin 150 Euro hat auszahlen lassen. Meine Begründung:
1. Beim Eingeben der PIN überprüft man doch als Kunde die Summe, die da am Gerät steht. Okay, sollte man prüfen, denn Fehler passieren überall. Könnte also an dieser Stelle schomal schiefgelaufen sein. Und das ist eigentlich ein Punkt, an dem man als Händler die Schuld von sich weisen könnte.
2. Eine erfahrene Kassiererin müsste versehentlich zweimal die Sechs am ec-Gerät gedrückt haben. Da das eine Gummitastatur ist, bei der man die Tasten ziemlich bewusst drücken muss, ist das eher unwahrscheinlich. Mit "Wurstfingern" kann man zwar zwei verschiedene Tasten drücken, aber nicht zweimal hintereinander die selbe.
3. Wir übernehmen aus Sicherheitsgründen (zur Nachkontrolle und um Differenzen zu vermeiden) bewusst den auf dem ec-Beleg stehenden Wert als den gegebenen Betrag in die Kasse. Spätestens hier hätte meine Mitarbeiterin stutzig werden müssen.
4. Es hat "150€" Rückgeld auf dem Display gestanden. Auch hier wäre mal Gelegenheit gewesen, nachzuprüfen, was da wohl schiefgelaufen sein könnte.
5. Es gab keine auffällige Kassendifferenz an dem Tag.
"Sind Sie sicher, dass Sie nicht doch 150 Euro mitgenommen hatten?"
Die Kundin wollte erst protestieren, dann stockte sie, überlegte und stammelte schließlich: "Ach… Jaaaaha… Doch… Ich erinnere mich wieder. Das mache ich sonst nie, darum hatte ich das vergessen."
Vom Ende einer Regalreihe aus beobachtete ich eine ältere Frau dabei, wie sie versuchte, eine kleine (4er) Eierverpackung zu öffnen. Nachdem sie das Prinzip mit der kleinen Papplasche offenbar nicht verstanden hatte, riss sie einfach den gesamten Deckel ab. Der Inhalt gefiel ihr wohl nicht und sie stellte den Karton wieder ins Regal und nahm sich eine andere Schachtel mit sechs Eiern, die sie ungeöffnet in ihren Einkaufswagen stellte.
Ich sprach sie an und bat sie, entweder nur die kleine Packung oder meinetwegen auch gerne beide Packungen zu kaufen. Aber wer was aufreißt, muss dafür auch aufkommen.
"Ich war das nicht", sagte sie.
"Na, ich hab da doch zugeguckt", entgegnete ich.
"Die Schachtel war so."
"Nein, war sie nicht. Ich habe doch gesehen, wie Sie den ganzen Deckel da hochgerissen haben. Darüm möchte ich, dass Sie die bezahlen."
"Ich nehme ja die größere Packung."
"Sie können gerne beide Packungen nehmen oder meinetwegen auch nur die kleine. Oder zwei kleine, dann haben Sie acht Eier. Aber was soll ich denn damit jetzt machen? Das kauft doch kein anderer Kunde so."
Sie zuckte mit den Schultern und ließ mich einfach stehen.
Meinem Kassierer sagte ich, ihr einfach 99 Cent mehr mit abzuziehen. Die Packung haben wir dann mit Tesafilm replikiert und für den halben Preis verkauft. Manche merken echt gar nichts mehr…
Kunden kommen und gehen. Gerade viele ältere Kunden tauchen irgendwann nicht mehr auf. Das fällt nicht immer sofort auf, aber manchmal sitzt man dann zu Hause am Esstisch, unterhält sich über die Firma und dann unterhält man sich plötzlich über bestimmte Kunden und Kundinnen und dann fällt einem auf, dass man ihn oder sie schon eine Weile nicht mehr gesehen hat.
Eine ältere Dame, die uns hier rund 15 Jahre begleitet hat und von der man gefühlt die gesamte Lebensgeschichte wusste (auch wenn das Inerfahrungbringen derselben manchmal sehr anstrengend war), ist uns nun schon einige Monate nicht mehr über den Weg gelaufen. Eine Kollegin wusste aber, dass die Kundin in der selben Bank wie sie ist und so fragte sie einfach mal beim freundlichen Mitarbeiter der Bank nach. Dort müsste ja bekannt sein, wenn Konten etc. aufgelöst worden wären.
Traurige Gewissheit: Die Kundin, die bei uns vorne am Eingang immer ein paar Sekunden stehenblieb und sich ihren Pony akkurat zur Seite kämmte, weilt nicht mehr unter uns. Schade. Sie war zwar manchmal anstrengend, aber gehörte zu den Leuten, mit denen man immer nett plaudern konnte.
Ein Kunde betrachtete die Liste mit den Bio-Geflügel-Angeboten und wunderte sich und fragte seiner Begleitung: "Warum ist denn die kleine Ente teurer als die große? Was soll das denn?"
Eine recht alte Kundin suchte einen bestimmten Jogurt. Der Regalbestand war komplett leer, aber in der Restekiste waren noch zwei Packungen, die lt. Aufdruck noch zwei Tage haltbar waren. Die Kundin freute sich, dass sie ihren geliebten "LC1" für den halben Preis bekommen konnte: "Dann nehme ich beide Packungen mit!"
Meine Mitarbeiterin fragte besorgt, ob sie denn so viel schaffen würde. Immerhin sind das letztendlich acht Becher und auch wenn die in zwei Tagen nicht gleich verderben würden, könnte es die Kundin natürlich trotzdem stören.
Die alte Dame legte die beiden Packungen in ihren Wagen und brachte eine Antwort, die einen zum Schlucken brachte: "Mädchen… Ich habe den Krieg miterlebt. Da haben wir noch ganz andere Dinge gegessen."
Eine junge Frau stand vor dem Leergutautomaten und fütterte ihn mit dem Inhalt ihrer vielen mitgebrachten Taschen. Auf den ersten Blick war sie eine ausgesprochen ansehnliche Erscheinung, bei der sich so mancher Mann den Kopf verrenkt hätte: Hübsches Gesicht, lange dunkle Haare, tolle Figur. Dazu Stiefeletten und Hotpants, der Bereich dazwischen wurde von eine Strumpfhose mit auffälligem Muster bedeckt. Sie hatte ein luftig sitzendes Oberteil an, das aber nicht zu viel zeigte.
Wie gesagt, das war der erste Blick.
Der zweite Blick fiel dann zunächst auf ihre Begleitung, irgendeinen Flaschensammler mit allen entsprechenden Eigenschaften. Das Mädchen redete eher leiernd als lallend, stand leicht gebeugt und wackelte immer wieder, als wenn sie sich nicht richtig auf den Beinen halten konnte. Drogen? Alkohol? Keine Ahnung, aber sie war wohl direkt dabei, sich an irgendeinen sozialen Rand oder sogar noch in einen Bereich darüber hinaus zu begeben.
Warum lässt sich jemand nur so gehen und wirf sein Leben weg?
Ein offenbar afrikanischstämmiger Kunde stand vor der Fleischtruhe und suchte offenbar etwas. Eine Kollegin sah das und fragte ihn, ob sie irgendwie helfen könne. Rinderhackfleisch suchte er, das aber gerade ausverkauft war.
Enttäuscht erklärte er: "Habe eben bei einem anderen Laden auch schon kein Glück gehabt. Alles weg…" – und ergänzte: "Ist wohl mein schwarzer Tag heute."
War ja nett gemeint von der Mutter, ihr etwa fünfjähriges Mädchen den Leergutautomaten füttern zu lassen. Nun stand die Tochter dabei auf dem Boden und hat die Flaschen mit langem Arm in den Einwurfschacht gesteckt. Dummerweise ist dieser Schacht höher, als das Mädchen groß war.
Und falls die Mama etwas gelernt hat, wird sie zukünftig die Flaschen selber wegbringen – oder aber zumindest die Bierflaschen restlos entleeren.
Es ist krass, den Abstieg mancher Menschen zu beobachten und mitzuerleben. Ein Stammkunde kommt seit einer Weile fast täglich mit immer mehr Leergut hier an. Mutiert sichtbar vom gepflegten Menschen zum Flaschensammler, der sich, zumindest wirkt seine Sammlung so, nicht scheut, wirklich jedes leere Gebinde einzusammeln.
Ein Kunde sprach mich an und erklärte, dass er Holunderbeeren suchen würde. Ich ging im Geiste kurz die Gemüseabteilung und das Konservenregal durch und sagte dann wahrheitsgemäß, dass ich ihm da wohl leider nicht helfen kann.
"Ich hab schon überall im Gewürzregal geguckt…", ergänzte er noch.
"Na, da würden Sie die aber nun auch gar nicht finden. Das sind ja Beeren. In getrockneter Form gäbe es die möglicherweise bei den Trockenfrüchten, aber das wäre nichts, was im Gewürzregal stehen würde."
"Ja, genau. Getrocknet. Diese harten, schwarzen Kugeln."
"Meinen sie eventuell Wacholderbeeren?"
"Uff… Hier auf dem Einkaufszettel, den mir meine Frau mitgegeben hat, steht Holunderbeeren. Sind für Sauerkraut, das sie heute Abend für uns machen möchte."
"Nehmen Sie die getrockneten Wacholderbeeren. Wird schon passen."
Diese Meinung teilte er mit mir und packte sie in seinen Wagen.