Zweites Gastbeitragserlebnis bei Plus an der Kasse
Blogleser Carsten hat mir folgende Geschichte zukomen lassen:
Auch wenn es sich in diesem Fall um eine kleine Summe handelt und sowas sicherlich nicht an der Tagesordnung ist: Solche Sprüche sind übel. Vor allem, wenn man daran denkt, wer das Geld "vom Staat" denn tatsächlich bezahlt.
Ich stehe an der Kasse eines Discounters (zufällig auch Plus; bald Netto). Vor mir ist ein noch nüchternes Pärchen mittleren Alters mit der Optik +10 Jahre und dem Augenschein zu vertrauen in der Gesellschaft eher am unteren Ende angesiedelt.Kleinstrestbeträge unter einem Euro haben wir immer bar ausgezahlt. Ist aber sogar meiner Meinung nach offiziell erlaubt.
Auf dem Band liegen ein paar Grundnahrungsmittel, dann noch zwei Dosen Tabak inkl. Zubehör und zwei Flaschen Hochprozentigem. Die Kassierkraft (männlich, Azubi) zieht alles über den Scanner. Dann nennt er den Endbetrag (knapp 50 Euro). Der männliche Teil des Pärchens hält einen Taschenrechner in der Hand und bestätigt den Endbetrag mit einem breiten Grinsen.
Die Frau fuchtelt in ihrer Jackentasche und zerrt ein viermal gefaltetes und schon äußerst beanspruchtes zerknittertes Schreiben in DIN-A4 ans Tageslicht, klappt es auf und überreicht es triumphierend dem Azubi. Der ist natürlich erst mal aus dem Konzept gebracht. So wie ich es dann im Gespräch zwischen der eilig herbeigerufenen Filialleiterin und der Kassierkraft mitbekomme, handelt es sich um einen Einkaufsgutschein vom Sozialamt.
Die Kassierkraft hat aber nun eine Differenz von 63ct. und sagt zu dem Pärchen, dass er das lt. der Anweisung im Gutschein nicht bar auszahlen dürfe. Sie müssten sich noch schnell ein Produkt für diesen Betrag aussuchen. Die Beiden schauten dann aufgeschreckt zu den Artikeln an der Kasse (Schokoriegel, Flachmänner, etc.). Sie fanden aber nix Passendes.
Dann winkte die Frau mit einer abwertenden Handbewegung ab und sagte (O-Ton): "Ach, behalten sie die paar Cent. Ist doch sowieso nur vom Staat."
Ich war sprachlos.
Auch wenn es sich in diesem Fall um eine kleine Summe handelt und sowas sicherlich nicht an der Tagesordnung ist: Solche Sprüche sind übel. Vor allem, wenn man daran denkt, wer das Geld "vom Staat" denn tatsächlich bezahlt.
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Kommentare
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Mario Hillje am :
Blogleser am :
Banger am :
Madner Kami am :
Was die Auszahlung betrifft, so steht das im Einzelfall immer auf dem Gutschein drauf, aber standardmäßig darf nicht mehr als zehn Prozent vom Gutscheinwert an Wechselgeld ausgezahlt werden.
krustyDC am :
Christoph am :
soweit ich mich erinnern kann bekommen Kunden mit solchen Gutscheinen weder Alkohol noch irgendwelche Tabakwaren.
Gruß Christoph
Christoph Wagner am :
Ich meine sogar Zeitschriften und Non-Food sind ausgeschlossen dabei - aber da könnte ich mich auch täuschen;)
Beverly am :
ist ja auch gut so. der staat soll ja sowas nicht fördern.
Carsten (Gastbeitragseinreicher) am :
Wie heißt es so schön: "Ist doch sowieso nur vom Staat".
Carsten Bulli am :
Wie heißt es so schön: "Ist doch sowieso nur vom Staat".
Gruss,
Carsten (Gastbeitragseinreicher)
Mavezz am :
Nessa am :
at am :
Eben. Das haben die beiden nämlich mutmaßlich selbst getan, früher in Form von für Nichtselbständige verpflichtend zu entrichtenden Soziaversicherungsbeiträgen sowie noch immer durch immer weiter steigende Konsumsteuern. Auch der Umsatz dieses Einkaufes landet ja dank Tabak- beziehungsweise Branntwein- und Mehrwertsteuer zu mindestens einem Drittel, vielleicht sogar zur Hälfte beim Staat. Je billiger der Fusel, desto höher der Steueranteil. Und vom Rest lebt die Wirtschaft.
Aber es stimmt natürlich: Man sollte ihnen das Geld auszahlen. Dann gibt es das Wechselgeld zurück und alle sind zufrieden. Vielleicht könnten die beiden das Geld sogar ansparen und müssten es nicht im Supermarkt sinnlos verprassen.
Tobias am :
Es klingt aus den Beschreibungen auch sehr wahrscheinlich, dass die beiden je "Nettosteuerzahler" aus eigenem Verdienst waren
Und klar, ich stelle mir bildlich vor, wie sie ihr Geld aufs Sparkonto bringen ^^
at am :
Die wirtschaftliche Entwicklung hierzulande dürfte vielen wirklichen Sozialromantikern -- also all denen, die meinen, man könne mit Sozialleistungen einen angemessenen Lebensstandard aufrecht erhalten -- in Kürze die Gelegenheit bieten, sich noch einmal aus der Perspektive des Empfängers von Sozialleistungen mit dieser Angelegenheit zu befassen. Aber ich weiß schon, das ist dann natürlich etwas ganz anderes.
Die Frage ist übrigens nicht, ob jemand spart, sondern ob man ihn lässt. Einen defekten Haushaltsgegenstand nicht aus Ersparnissen ersetzen zu können oder dem Kind statt irgendwelchen Supermarktwaren nicht einen Zoobesuch zum Geburtstag schenken zu können, ist ungerecht und verschlechtert die Perspektiven aller Beteiligten.
Hoschi am :
In naher Zukunft werden einige der Kommentatoren mit Stammtischniveau noch von ihrem hohen Roß auf ein Pony umsteigen müssen.
Heutemalnicht am :
Der Frust der Leute hier, woher kommt der denn? Vielleicht daher, dass hier Leute mitlesen, die jahrentelang krücken gehen und horrende Steuern zahlen müssen und sich dann an den im Blog geschilderten Beispiel anlesen dürfen, wie die mühsam erarbeiteten Steuergroschen verwendet werden.
PS: Sozialhilfe bzw. Hartz4 ist steuerfinanziert. Das kriegt jeder Heckenpenner, auch wenn er im Leben noch keinen Finger krumm gemacht hat.
ReCon am :
Im Prinzip könnte sich doch jeder am PC selbst so einen Wisch zusammenschustern.
Spaßvogel am :
Okay, Unterschrift kann man nachmachen, da die Scheine aber namentlich gekennzeichnet sind und wir eigentlich sogar angehalten wären, den Ausweis zu kontrollieren, würde ein gefälschter Schein den Namen des Fälschers beinhalten. Das wäre ziemlich Kontraproduktiv.
Beverly am :
Spaßvogel am :
Daher müssen wir auch den Kassenbon aufbewahren, der geht mit dem Sozialschein an das Sozialamt und die zahlen nur die Summe des Kassenbons zurück. Tabakwaren und Alkohol streichen die rigoros aus ihrer Rückzahlung aus, dass diese mit solchen Scheinen nicht erworben werden dürfen, steht auf diesen auch groß drauf.
Bei Scheinen in Din A4 muss man übrigens meist doppelt hinschauen. Während es Standardscheine im kleineren Format gibt, die für Lebensmittel gedacht sind, werden die Din A4-Scheine in der Regel erst in besonderen Situationen raus gegeben, also zB. wenn kein Geld mehr bei den Hilfeempfängern vorhanden ist, der Monat aber noch andauert oder auch, wenn besondere Dinge gekauft werden müssen wie zB. Kleidung. Daher immer nach dem Verwendungszweck schauen, wenn es ein Schein für Kleidung ist, dann zahlt das Sozialamt keinen Lebensmittelbon.
Lustig wird es übrigens dann, wenn jemand mit Sozialschein bezahlen will und noch 5 Euro fehlen, der Hilfeempfänger daraufhin in seine Tasche greift und ein Bündel Geldscheine herausholt, das geschätzt mehr Geld beinhaltet, als ich im Monat verdiene. Da freut man sich doch über das soziale Netz in Deutschland.
Genau so, wenn ein Sozialhilfeempfänger mit seiner 5köpfigen Familie mit dem Taxi vorfährt, das Taxi während des Einkaufes draußen wartet und an der Kasse mit Sozialschein bezahlt wird. Danach wieder mit Taxi die geschätzten 800 Meter nach hause.
Solche Erlebnisse sind aber gott sei dank die Ausnahme, ich kenn auch viele Empfänger solcher Scheine, die diese wirklich benötigen und verantwortlich damit umgehen.
Blogolade am :
Ich gehe davon aus, dass es jetzt immer noch nicht erlaubt ist, so ein Sozialschein dient ja zum Überleben und nicht, um Genussmittel zu finanzieren.
Wir mussten damals mehr als einen Bon ausdrucken, ich glaube es waren 3. 3 Spezielle, denn die Nummer des Scheins (den wir einbehalten mussten) und andere Infos standen darauf. Einen Ausdruck gaben wir den Kunden (die MUSSTEN ihn mitnehmen) einer ging in unsere Kassenabrechnung und einer ging ans Amt. Die können also gut kontrollieren, was gekauft wird und anhand der aufgedruckten Kassierernummer ggf auch Probleme machen, falls einer Verbotenes verkauft hat. Ich wüsste bei uns aber keinen Fall, wo das vorgekommen ist - wir haben sowas aber immer zusammen mit der Kassenaufsicht abgewickelt oder zumidnest mit einer Kollegin zusammen.
Gwyn am :
Einmal wie sieht es dann mit Getränken in Pfandflaschen aus?
Würden auch so Sachen wie Schokolade zu den "Verbotenen" gehören?
Und dann noch, sind denn Scheine über 50Euro die Regel? Ich kann es mir doch sehr schwer vorstellen Einkäufe für den Betrag ohne Auto zu transportieren. Zumal wenn man seiner Situation entsprechend günstige Artikel einkauft (das soll nicht herablassend klingen, ich erinnere mich noch zu gut an meine Studienzeit, da mußte ich auch sparsam einkaufen und die Sachen zu Fuß transportieren, da waren 30Euro Einkäufe schon sehr schwer zu bewältigen xD).
Kuni am :
Hoffentlich komme ich nicht nochmal in solch eine Situation.
Thomas M. am :
Viele Grüße
Daniel78 am :
Auch hier: Das oben beschriebene Verhalten trifft sicherlich nur auf einen ganz geringen Prozentsatz der Transferempfänger zu, aber es passiert.
MHD am :
Mich regt das nicht auf, wenn an der kasse der Alk. mit berechnet wird und keinen stört das, ändern tut sich da eh nix, geht es bei der einen Filiale nicht, suchen sie sich eben eine andere. Wer am Alk hängt lässt sich nicht nur irgendwelchen Warengutgscheinen davon abbringen und der Staat verpulvert so viel Milliarden von uns, ich sage nur BANKEN RETTEN!, da fallen die paar Euros für den billig Seelentröster nicht in´s Gewicht.
dev am :
Und wenn sie sich Alk und Kippen holen - das bisschen Spass sollte man ihnen schon gönnen.
Den Lästermäulern wünsche ich frohe Arbeitslosigkeit.
Wolfram am :
Mein Fallmanager fragte, ob ich rauche (Damals noch leider ja) + druckte mit auf den Gutschein, dass auch Tabak (1 Paket Tabak/Zigaretten) erlaubt seien -- scheint es also grundsätzlich zu geben - zumindest damals in Köln durch die ArGe.
Gruß
wolframcgn