Auf dem Hof tobten vier Jungs im Grundschulalter herum. Dabei spielten sie nicht nur auf der Parkfläche, sie kletterten über unsere Rampe auf das Dach des Trafohäuschens und von dort über die Mauer zwischen den Grundstücken auf unseren Fahrradständer. Die Mauer wird nicht umfallen, aber das Trapezblech des Fahrradständers ist nicht dazu gemacht, betreten zu werden. Aber Respekt vor fremden Eigentum ist in der heutigen Zeit ja so eine Sache für sich …
Eine halbe Stunde später war das Quartett bei uns im Laden. Sie wollten Saft kaufen. Einer hielt mir eine Flasche vor die Nase und wollte wissen, ob da Gelatine drin sei. "Nein, da ist keine Gelatine drin", sagte ich und konnte mir den Nachsatz nicht verkneifen, dass es dann kein Saft, sondern Wackelpudding sei.
Was ich damit sagen wollte, hatten die Kinder nicht verstanden. Aber der Erste fragte noch mehrmals nach, ob da auch wirklich keine Gelatine drin sei, ich versicherte es ebenso oft und schließlich kauften sie den Saft.
Wenn manche Leute einfachste Grundregeln zum gesellschaftlichen Zusammenleben genauso beachten würden, wie die von ihrem virtuellen Freund auferlegten Speisevorschriften, würde vieles einfacher sein …
Eine Frau kam in den Laden, wollte mich sprechen und hat sich freudestrahlend fröhlich vorgestellt mit den Worten, dass einer meiner EDEKA-Kollegen sie zu uns geschickt hätte.
Sie käme von Too Good To Go und würde uns gerne mit ins Boot holen, da ja immer noch viel zu viele Lebensmittel weggeworfen würden. Der App sei es zu verdanken, dass täglich viele, viele Lebensmittel nicht im Müll landen. Das mag sein.
Die Frau wollte uns das Konzept schmackhaft machen. Wir haben keine Verpflichtungen, müssen keinen Vertag unterschreiben und können völlig frei einteilen, was und wie viel wir zu welchem Preis anbieten wollen. Dass eine "administrative Jahresgebühr" (in Höhe von verschmerzbaren 39 Euro) anfällt und man pro verkaufter Tüte noch eine Provision in Höhe von 1,19 Euro zahlen soll, blieb unerwähnt. Über einen Euro pro Tüte finde ich auch schon ziemlich krass, da würde ich die in der Tüte ohnehin schon zum Sonderpreis angebotenen Produkte lieber noch zusätzlich um diesen Preis reduzieren und hier in der Restekiste / auf dem Restetisch anbieten. Das machen wir schon seit Ewigkeiten so und fahren sehr gut damit, wirklich im Müll landet hier so gut wie nichts.
Ines und ich schüttelten den Kopf und erklärten, dass das nichts für uns sei. Erstaunlich, wie die Stimmung der Dame von superfreundlich auf pampig-reserviert umschlug, zumindest empfanden wir es so. Sie wollte freundlich bleiben, aber die Sätze waren deutlich weniger blumig. Sie versuchte es noch mit dem Argument der Werbung, denn mit 2G2G würden viele Leute hier herkommen, die sonst hier nicht einkaufen würden. Mag sein, aber diese Leute wären ja vermutlich überwiegend nur heiß auf die Wundertüten und würden sich für den Rest kaum interessieren.
"Soll sich doch freuen, dass wir kaum Abfall haben, es geht doch um die gute Sache", dachte ich. In Wirklichkeit ging es wohl vor allem ums Geld in Form der Provision.
Eine Kundin kam in den Laden und hatte eine FFP2-Maske auf. Diese trug sie jedoch so, dass ihre Nase oben rausguckte.
Reflexartig wollte ich erst was sagen, aber rechtzeitig erinnerte ich mich daran, dass überhaupt keine Maskenpflicht mehr besteht und sie die folglich so tragen kann, wie sie will – ober eben auch gar nicht.
Drei Jahre Corona haben einen schon irgendwie geprägt.
Da kommt man morgens um 7 Uhr zur Firma und wird von dem Kollegen, der einem die Tür geöffnet hat, mit den Worten begrüßt, mal gründlich zu schnuppern, vor allem in der Nähe des Leergutautomaten. Das tat ich natürlich und es roch angenehm nach Rosen.
Leider nicht. Es roch nach Verwesung und Fäulnis. Der Geruch war am stärksten in der Nähe des Crunchers unseres Leergutrücknahmegeräts und als ich die Klappe öffnete, um die Kunststoffwanne zu inspizieren, übergab ich mich fast an Ort und Stelle.
Mit vielem Würgen und mehrmals kurz davor, ins Lager zu reihern, schafften wir es, die Wanne nach draußen zu schubsen und deren Inhalt in den großen Container zu schütten. Danach ging es wieder etwas, den Rest erledigte viel Anti-Geruchs-Spray, das wir in der Wanne und innerhalb des Leergutautomaten großzügig auf sämtlichen Oberflächen verteilten.
Langsam wird es wieder besser. Ich kann ja wirklich viel ab und bin von allen mir bekannten Personen am wenigsten geruchsempfindlich, aber das hat sogar mich an meine Grenze gebracht.
Was mag da jemand reingeworfen haben? Und will ich das wirklich wissen?
Um was es bei der "Hot Chip Challenge" konkret geht, bekommt man recht umfassend heraus, wenn man den Links der entsprechenden Google-Suche folgt.
Kurz zusammengefasst geht es um die Reaktionen nach dem Verzehr eines quasi unerträglich scharf gewürzten Kartoffelchips und der Darstellung dieser in den entsprechenden Social-Media-Kanälen der beteiligten Personen.
Vor ein paar Tagen rief jemand hier bei uns an und wollte uns auch dieses Produkt anbieten. Der Trend, müssen wir im Sortiment haben, kein Leben mehr möglich ohne diesen Artikel. Danke, nein, nichts für uns.
Aus kommerzieller Sicht ist die Hot-Chip-Challenge übrigens der Hammer. Für den Hersteller. Man bekommt einen Tortilla-Chip. Einen! Dieser wiegt fünf Gramm. Fünf! Und dafür zahlen die Leute ca. 10 Euro. Zehn! Was zu einem Kilopreis von etwa 2000 Euro führt.
Wenn ich mir die Leute in den Videos unter dem Hashtag #hotchipchallenge angucke, mache ich mir jedenfalls keine Sorgen mehr, dass die Menschheit noch dümmer werden könnte. Das ist wohl schon das unterste Ende der Nahrungskette.
Ein Standard-Discountartikel sind abgepackte Schokobrötchen. Folglich gibt es die außer bei jeder anderen Handelskette auch bei uns, und zwar als "gut & günstig mmh! Schokobrötchen" in der 300g-Packung zum tagesaktuellen Discountpreis. Ich hab' die noch nie gegessen, aber ich weiß, dass wir sie haben und dass sie gerne gekauft werden.
Das Telefon klingelte und ein Kollege nahm den Anruf entgegen. Ich habe bis jetzt nicht so richtig verstanden, was der Anrufer wollte, aber in den ersten Minuten verstand ich natürlich überhaupt nichts. Der irritierte Gesichtsausdruck meines Mitarbeiters wurde immer verwirrter und das Fragezeichen, das mittlerweile über seinem Kopf schwebte, passte hier kaum noch ins Lager. Schließlich grätschte er dem Anrufer in den Satz: "Ich übergebe mal eben an meinen Chef, vielleicht kann der Ihnen helfen."
Der Mann erklärte mir, dass er die eingangs erwähnten Schokobrötchen immer total gerne kaufen und essen würde. Die schmecken bei EDEKA besser als die anderen Sorten. Aber die er jetzt gekauft hätte, würden nicht mehr so gut schmecken.
Genauer gesagt würden sie jetzt exakt so schmecken, wie von Kaufland oder Aldi und es wäre, jetzt wird es sonderlich, echt eine Unverschämtheit und absolut kundenunfreundlich, dass wir da jetzt die Schokobrötchen von Kaufland umpacken und als unsere eigenen verkaufen würden.
Um diese Kernaussage drehten sich auch die folgenden Minuten unseres Gesprächs. Ich versuchte mehrfach, ihm zu erklären, dass wir die Brötchen weder selber backen noch umpacken. Wir bekommen die fertig aus der Schokobrötchenfabrik geliefert und haben da keinen Einfluss drauf. Wollte er nichts von wissen. Dann sagte ich ihm, dass EDEKA ja auch keine eigene Schokobrötchenfabrik hätte und nun die Brötchen vielleicht dort gebacken werden, wo auch die von Kaufland und Aldi gebacken werden. Kann ja durchaus sein, das ist eine sehr gängige Praxis. Der Anrufer blieb bei seinem Mindset, dass wir hier übelst die Kunden verarschen würden, wenn wir die Kaufland-Schokobrötchen in die EDEKA-Schokobrötchentüten umfüllen würden. Nachdem die Diskussion einige Minuten hin und her ging und der Mann für keine Argumente offen war, würgte ich ihn schon beinahe ab mit den Worten, dass die jetzt so schmecken und er damit leben muss. Punkt.
Ich habe lange darüber nachgedacht, ob das ein Telefonstreich gewesen sein soll. Aber ich glaube, dass der Mann das wirklich, wirklich ernst gemeint hat.
(Kennt, kauft und isst von euch jemand die Schokobrötchen von gut&günstig mehr oder weniger regelmäßig? Gab es da tatsächlich eine Änderung? Kann ja sein, dass die nun von einem anderen Hersteller kommen.)
Und jetzt muss ich weitermachen. Bis zum Schichtende habe ich noch ein paar hundert Penny-Pizzas in die Schachteln von Ristorante umzufüllen.
Per E-Mail kam eine Anfrage der Kriminalpolizei Bremen. Man ermittelt im Rahmen eines Betrugs mit gestohlenen Kreditkartendaten. Mit diesen gestohlenen Daten sei bei uns eingekauft und gleichzeitig via Cashback auch 200 Euro Bargeld vom betroffenen Konto abgehoben worden.
Uns trifft keine Schuld und wir haben auch keinen Schaden erlitten. Aber ob ich zur Identifizierung des Täters oder der Täterin mit Bildern aus der Videoaufzeichnung, sofern wir denn eine haben, helfen könnte, wollte die Absenderin der Mail wissen.
Unsere Anlage speichert ganz DSGVO-konform maximal 72 Stunden und überschreibt die Aufzeichnungen dann automatisch wieder. Nach fünf Monaten war da nun beim besten Willen nichts mehr zu machen.