Es gibt überwiegend zwei Typen von Bewerbungssätzen: Die einen sind diese absolut "korrekten" nach Lehrbuch und neuestem Bewerbungs-Knigge zusammen mit dem Arbeitsberater erstellten Sätze, die allesamt im selben Stil "interessant" geschrieben sind und somit vor Konformität nur trist, fast schon lächerlich, wirken – und die ich bekanntermaßen nicht sonderlich gut ertrage. Zumindest dann nicht, wenn ich sowas als Initiativbewerbung auf den Schreibtisch bekomme. Die anderen sind meistens Bewerbungen, die mit unvollständigen Unterlagen eingereicht werden und oft auch optisch nichts hermachen und sogar teilweise, versehentlich oder mutwillig, oft massenhaft Form- und Rechtschreibfehler enthalten.
Wir haben vor einiger Zeit eine Initiativ-Bewerbung eines arbeitslosen Einzelhandelskaufmanns bekommen, der die letzten Jahre mit verschiedenen Verkäufer-Jobs verbracht hat.
Diese Bewerbung hatte ich vor langer Zeit mal im Beitrag "
Eine richtige Bewerbung" im Rahmen der Diskussion um Bewerbungsschreiben schon einmal erwähnt. Dennoch möchte ich, zumal ich inzwischen schon mehrmals per Mail darum gebeten wurde, diese Bewerbung hier jetzt gesondert (und natürlich anonymisiert) veröffentlichen.
Die Unterlagen waren vollständig, die beiliegenden Zeugnisse okay – durch das handgeschriebene Anschreiben und den Lebenslauf wirkte die ganze Mappe allerdings sehr individuell und in gewisser Art sehr sympathisch. Vielleicht war auch das beiligende Foto dafür verantwortlich, dass man als Betrachter mit einer ganz anderen Einstllung an die Bewerbung heranging: In eher legerer, aber nicht schlampiger, Freizeitkleidung saß der Bewerber auf einem Barock-Sessel und grinste in die Kamera – alles andere als ein typisches "Bewerbungsfoto", aber dabei nicht schlechter, sondern einfach mal anders. Originell. Auffällig.
Das Anschreiben war handgeschrieben und das auch nicht ganz fehlerfrei – doch da man sehen konnte, dass sich der Bewerber dabei wirkliche Mühe gemacht hatte und nicht nur irgendeine "Bewerbung" ("Für's Amt") hingeschissen hat, empfand ich dies nicht als negativ. Aber seht selber:
Bewerbung als Vollzeitverkäufer
Ihre Anschrift aus dem Nachschlagewerk der Gelben-Seiten!
Sehr geehrte Damen und Herren.
Meinen Start ins Berufsleben begann ich als 18jähriger in einer Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann in der Lebensmittelbranche.
Seither konnte ich in die verschiedenen Branchen des Einzelhandels und deren Materie eintauchen.
Der daraus sichtbare Schatz, ist mit Wissen - Offenheit für NEUES - Erfahrung - sowie mit einem respektvollen Umgang mit den Menschen aufgefüllt!
Vom Sockel der Verantwortung aus sind Eigeninitiative - Interesse - Teamarbeit mir besonders wichtig!
Ferner macht mir der Eingang auf den Kunden mit seinen Wünschen besonders viel Freude.
Ich bin gesund und ohne Anstellung, daher kann ich sofort mit einem Arbeitsverhältnis beginnen.
Gerne würde ich zu einem Vorstellungsgespräch erscheinen.
Mit freundlichem Gruß
Ich fand's genial. Nicht "technisch" perfekt, aber dennoch nicht schlecht. Im Gegenteil: Durch die persönliche Note, die der Bewerber damals mitbrachte, sogar unglaublich sympathisch.
Auf jeden Fall war ich neugierig darauf, die Person hinter dem Anschreiben mal kennenzulernen – aber das mit dem Job bei mir hatte damals dann leider doch nicht mehr geklappt. Nachdem ich nämlich tatsächlich jemanden brauchte, war der einstige Bewerber bereits schon in einem anderen Unternehmen beschäftigt.