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Von den Weinkarten

"Geht es Ihnen auch so: Sie öffnen in einem Restaurant die umfangreiche Weinkarte mit den Ausmaßen des Gästebuches einer mittleren Großstadt - und sind geplättet!

Eigentlich wollten Sie nur einen leicht bekömmlichen, nicht zu teuren Wein bestellen. Bier schmeckt ja auch gut, aber heute soll es mal ein guter Tropfen sein. Doch so einfach geht das nicht, wenn man die Empfehlung liest, die ein offenbar schon berauschter Dichter - Abteilung Lyrik - verfasst hat. Was halten Sie zum Beispiel von einem Erguß, der auch in vielen anderen Weinkarten - nur leicht verändert - zu finden ist und zusätzlich als eine gelungene Hymne auf noch ganz andere Genüsse verstanden werden könnte:
"Dieser edle Spitzenwein von vornehmer und zurückhaltender Eleganz verfügt über eine feste Ansprache im Geschmack und hinterläßt eine blumige Note am Gaumen. Mit seinem vollen, rassigen Körper hat er eine geradezu erotische Komponente. Seine überströmende Fruchtigkeit verleiht ihm einen seidigen, fast schon femininen Charakter ohne Ecken und Kanten. Nach lebhaftem Spiel auf der Zunge führt dann prickelnde Spritzigkeit zu einer wahren Explosion der Sinne! Im Nachhall zeigt er sich ausbalanciert."

Alles klar? Herr Ober! Bitte ein Pils.
"
Meine Weinempfehlungen gebe ich deutlich sachlicher. Pils ist gut, aber unseren Bio-Bordeaux "La Grande Roche" finde ich einfach nur genial. Gehaltvoll, trocken, aber nicht zu säurehaltig. Vergesst das Geblubber über Vor- und Nachspiel auf der Zunge. :-)

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Kommentare

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Mapaed am :

Einspruch Euer Ehren! :-)

Das mit dem Abgang hat schon so seine Berechtigung um den Geschmack zu beschreiben.
Es gibt definitiv einen Unterschied zwischen einem weissen Aperitivwein (z.B. nem Fizzante) und nem schweren Rotwein - wie lange man den nach dem Trinken noch auf der Zunge und im Rachen schmeckt.

Auch der Nicht-Experte merkt "hmm - das pelzige Gefühl des Rotweins hat der Weisswein nicht" (= Tannine).

Ebenso die Themen "Säure", "Frucht", (Rest-)Zucker und ähnliches.
Das sind eindeutige (und auch messbare Unterschiede) ...

Wobei:
Dass in Restaurants diese Kriterien z.B. mit "erotisch" und "feminin" beschrieben werden (wie im Text) - das ist "Marketing-gew!%€" und der Versuch einen "normalen" Wein so unverständlich zu beschreiben dass man ihn doppelt so teuer verkaufen kann.

Das sagt weniger etwas über den Wein aus als vielmehr über das Restaurant.
Die erwarten weniger jemanden der mit dem Text/ der Weinbeschreibung wirklich was anfangen kann - sondern ein Klientel das sich von solchen lyrischen Beschreibungen beeindrucken lässt.

Willkommener Nebeneffekt:
Die Gäste akzeptieren einen höheren Preis - und sind trotzdem zufrieden. Da sie ihre (finanzielle) Potenz damit erwiesen haben.

Anders gesagt:
Mehr Geld als Geschmack ... 8-)

Wäre meine Vermutung :-O

Cheers!

squish am :

den kommentar fand ich echt mal genial :-)

rusama am :

habe ich kein problem mit da ich nix alkoholisches trinke 8-)

Obi-Wan am :

Unser Marktkauf hatte ganz früher so einen "Weinautomaten"... Da hat man die Flasche unter einen Scanner gehalten und ohne viel Federlesen hat der Automat passende Rezepte ausgespuckt...

Genau wie es Man(n) haben will - Quick & Dirty. Das war toll - kein Jesabbel von Abgang, von Erotik und anderen Kladeradatsch. :-D

TheK79 am :

Selbiges *sollte* sich doch heute per Smartphone-App realisieren lassen :-)

DJ Teac am :

Gibt es sogar bereits mehrere Apps für ;-)

Klodeckel am :

Wer sich als Mann auf so etwas verlassen muss, ist hoffnungslos verloren. Eine gebildetete Frau mit Stil würde ein Dinner for two mit Rezepten und Weinvorschlägen aus Kaufhausautomaten wohl nach wenigen Minuten verlassen.

Wenn du das als Mann so ("schnell und schmutzig") haben willst, scheinst du keine hohen Ansprüche an deine Partnerinnen zu stellen.

DJ Teac am :

Wenn Du wissen willst, ob eine Avocado reif ist, einfach mit einem Zahnstocher ins Stielende der Frucht stechen - wenn's leicht rein und wieder raus geht: Dann ist sie reif.

Obi-Wan am :

Im Sinne von Weinempfehlungen natürlich... Ich brauch keinen stundenlang dahin träumenden Weinkenner, der mir erzählt, welcher Wein wie schmeckt.

Wichtig für mich ist, ob er zu meinem Menü passt, was ich mir ausgewählt habe... Ob er schmeckt, werd ich ja früher oder später eh erfahren... ;-)

SvenW am :

XKCD hat alles dazu gesagt, was wichtig ist: http://xkcd.org/915/

Bibuwitsch am :

Aber vergesst nicht das Geblubber mit dem Vorspiel mit der Zunge ;-)

labertasche am :

Willi (http://www.besserwisserseite.de) schrieb mal vor Jahren so treffend, dass mit etwas Schau ein jeder als Weinkenner durchgehen kann. Sein Rat war: Aromen herausschmecken - alles, was es in der Eisdiele gäbe, könne man auch im Wein schmecken (lediglich mit Stracciatelle sollte man vorsichtig sein). Ich habe seinen Artikel leider trotz Suche nicht auf seiner Homepage gefunden (aber seine Seite versteckt ältere Infos leider auch recht zuverlässig)

Gloria am :

Also,

ich finde natürlich auch, dass Wein gut schmecken sollte...

Für die meisten Konsumenten dürfte aber doch entscheidend sein, ob er angenehm wirkt. ;-)

The other one am :

Wein sollte man geniessen. Ich trinke pro Abend höchstens zwei Gläser.

http://i53.tinypic.com/2i8hons.jpg

sosi-chan am :

Ich komm aus der größten Weinstadt Österreichs und arbeite in einem bekannten Lokal. Die meisten unsrer Gäste sind selber Weinbauern (wir haben mehr als 300 Weinbaubetriebe) und wenn man da mit solchen Gedichten an die rantreten würde bestellen die auch lieber ein Bier.

Überhaupt haben die meisten solcher Texte nur einen Nutzen für Leute die sich intensiv mit verschiedenen Wein beschäftigen und ihn lieben. Is wie mit Whiskey (da bin ich so eine).

Der "Casual"Weintrinker und der Regionalweintrinker (so wie meine Mitbürger des Ortes) empfinden das meist als Firlefanz der wie ein Sprachrätsel aussieht.

Ich finds auch doof. ^^

The other one am :

Da würde mich mal interessieren wie die Weinkenner Glykol umschrieben haben. 8-)

Mapaed am :

Mei,
dem Geschmack der damaligen Zeit entsprechend - "lieblich". ;-)

The other one am :

Wie durch Zufall habe ich dafür auch schon wieder die passende Schleigzeile gefunden:

http://i54.tinypic.com/20k2g4l.jpg

jones am :

Äh, Weine aus dem Supermarkt sind zu 99% nicht wirklich trinkbar. Das fängt schon bei den Folgen der Lagerung an.

wolke am :

Auch beim Wein gilt wohl die bekannte Regel: Zwei Experten, drei Meinungen...

Ich meine, der beste Wein ist immer der, den man im Kreise guter Freunde trinkt.

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