Eine Kollegin kam ins Büro und wies mich auf einen jungen Mann hin, der gerade den Leergutautomaten mit seinem mitgebrachten Leergut fütterte: "
Guck dir den gleich bitte mal an, wenn der da fertig ist. Ich traue dem nicht. Bei jedem Besuch hier stellt er die gleiche Frage nach einem Exportbier, das wir nicht haben und mir kommt das inzwischen sehr seltsam vor. Zumal der sowieso so'n kaputter Typ ist."
Nachdem er beim Leergut fertig war, ging der Mann in die Getränkeabteilung. Kein Mitarbeiter und Kunde war dort in der Nähe und ich beobachtete ihn heimlich durch die Videoanlage. Er fühlte sich offenbar sehr sicher und nahm sich schließlich zehn große Dosen Red Bull aus dem Regal und brachte diese zunächst in einen etwas geschützteren Bereich, der vom Hauptgang aus nicht zu sehen war, mir am Monitor aber einen 1-A-Platz in der ersten Reihe bot.
Als ich sah, dass er hektisch anfing, die Dosen in seinem Rucksack zu verstauen reagierte ich sofort. Ich schlüpfte wieder aus der knallroten Weste und in meine unauffälligere Jacke und positionierte mich diesmal vor dem Laden auf dem Gehweg, um ihn direkt am Ausgang abzupassen.
Erfahrungsgemäß würde er noch auf dem Weg nach draußen zumindest den Leergutbon einlösen und während ich mich draußen auf dem Gehweg gerade so hinter den Blumen platzieren wollte, dass ich unauffällig zur Kasse spähen konnte, rannte der Dieb quasi hinter mir schon durch die Tür und in Richtung Seitenstraße. Verflixt! Dass der doch sofort den Laden verlässt, hatte ich nicht erwartet. Dazu fing er schon im Laden zu rennen an und hatte einen Vorsprung von rund 40 Metern, als ich die Verfolgung aufnahm.
An der Straßenecke bettelte ich ein etwa 12jähriges Mädchen an, mir ihr Fahrrad auszuleihen. Meine Kollegin konnte sie zum Glück davon überzeugen, dass sie es wiederbekommen würde und ich es nicht stehlen wollte. Auf einem 24-Zoll-Kinderfahrrad raste ich also, so gut es mit dem gangschaltungslosen Drahtesel ging, hinter dem Typen her, während ich mir nebenbei noch mein Handy ans Ohr drückte und mit dem Zentralnotruf der Polizei telefonierte. Am Ende der Seitenstraße war er abgebogen und von dort aus gab es drei weitere Möglichkeiten, in die er geflüchtet sein konnte. Und wenn er sich da irgendwo zwischen den Autos verstecken würde und ich ihn deshalb in der falschen Straße suchen würde… Ach, Mist. Als ich dort ankam, bewahrheitete sich mein Gedanke leider. Der Täter war nirgendwo mehr zu sehen.
Aber ein Passant sprach mich an: "
Da hat jemand einen Rucksack in den Vorgarten geworfen." Ach…? Tatsächlich. Naja, so war der Ladendieb zwar verschwunden, aber ich hatte wenigstens meine Ware wieder. Ein kleiner Trost. Ich kletterte also über den Zaun des Vorgartens, schnallte mir den Rucksack auf den Rücken und fuhr zurück zum Laden. An der Kreuzung wartete das Mädchen bereits auf mich, der ich als Dank ein Eis versprach, das sie sich später bei mir im Laden rausholen soll.
Beinahe zeitgleich mit mir traf auch ein Polizeiwagen bei meinem Laden ein. Die beiden Polizisten nahmen den Rucksack des Ladendiebs hier im Lager auseinander. Der Inhalt war ausgesprochen interessant: 10 große Dosen Red Bull, ein "Fixerbesteck" in einer Plastiktüte, ein mit Alufolie umwickelter Esslöffel, ein zusammengewickelter Pulli, ein großes Schlüsselbund – und als Krönung des Ganzen ein Portemonnaie mit sämtlichen Papieren inkl. Versichertenkarte und Personalausweis des Ladendiebs.
Facepalm…