"Lasst uns noch rein, sonst müssen wir verhungern.", bettelten die beiden Kunden um 0:15 Uhr vor der Eingangstür. Na, gut. Eigentlich hätte ich ja nicht gedurft... ach, was soll's. Man will ja niemanden leiden sehen.
Ich bin mir gerade nicht sicher, ob die fünf Tafeln Schokolade die Aussage "müssen verhungern" nun ins Lächerliche zogen oder sogar besonders glaubwürdig machten.
Ein kleiner Junge sprach mich im Laden an: "Wo haben Sie Marmorkuchen?"
Ich führte ihn direkt zum Regal mit dem Fertigkuchen und zeigte ihm den Marmorkuchen von Bahlsen und den beiden günstige(re)n Marken. Dabei drückte ich ihm das Gebäck in der blauen Packung in die Hand.
Er legte ihn zurück ins Regal...
(Gut, dachte ich mir, will er wohl einen günstigen)
Eine Kundin stand mit ihren beiden kleinen Kindern an der Kasse. Der etwa sechsjährige Junge quengelte und wollte etwas aus dem Süßwarenregal haben, worauf seine Mutter relativ laut und so, dass alle anwesenden es hören konnten, erklärte, dass sie "mit den paar Euro" noch eine Woche hinkommen müsse.
Der Junge schwieg zunächst und sah sich neugierig um. Plötzlich fiel sein Blick auf das Bedienfeld des Zigarettenautomaten: "Mama, du brauchst bestimmt noch Zigaretten." – worauf sie antwortete, dass sie die "doch schon längst" gekauft hätte. Wenigstens die.
Durch die offene Lagertür hörte ich, wie ein Kunde den Leergutautomaten bediente. "Piep!", machte das Gerät plötzlich. Ein eindeutiges Zeichen dafür, dass der Kunde entweder die Flaschen falsch herum oder zu schnell hineingesteckt hat, oder wir das Gebinde gar nicht akzeptieren. Die meisten Kunden finden dies anhand des Textes auf dem Display zum Glück selber heraus.
"Piep!"
"Piep!"
"Piep!"
"Piep!"
Okay. Wenn ein Kunde es so hartnäckig versucht, greifen wir meistens ein. Ich stand auf, ging zum Leergutautomaten und erkundigte mich: "Will er irgendwas nicht annehmen?"
Die Antwort des Kunden: "Doch."
Steckte die Flasche in seine Tasche, zog den Bon und ging.
Eine Kundin wollte den Chef sprechen. Sie sprach dabei laut und aufgebracht. Um was es denn überhaupt ginge, wollten wir wissen. "Ihr Automat hat mir für meine Flasche nur 15 Cent gegeben, aber an der Kasse bezahle ich immer 25 Cent für die Flaschen. Das ist eine Saumäßigkeit, wie hier die Kunden abgezockt werden! Mit jeder verkauften Flasche bereichern Sie sich hier um 10 Cent!
Machen wir natürlich nicht um im klärenden Gespräch ließ sich die Kundin zum Glück auch wieder beruhigen. Sie hat eine Schweppes-Merhwegflasche abgegeben, die ganz klassisch mit 15 Cent bepfandet ist. Hier im Sortiment haben wir allerdings schon seit längerer Zeit nur noch die mit 25 Cent zwangsbepfandeten Schweppes-Einwegflaschen, die auf den ersten Blick zugegebenermaßen fast genauso aussehen, wie die Mehrwegflaschen.
Ein herrenloser Einkaufswagen, in dem sich mehrere Artikel befanden, stand vorhin plötzlich im Laden. Es war kein Kunde zu sehen, dem der Wagen gehören könnte – und so beschloss ich, alles wieder auszuräumen und zurück in die Regale zu stellen.
Ich fragte mich die ganze Zeit, was es mit dem Einkauf wohl auf sich haben würde. Die Neugierde siegte schließlich und so sah ich mir die Videoaufzeichnung an. Ich wollte wissen, warum der Wagen einfach stehengelassen worden war.
Ich sah einen jungen Mann, der eigentlich relativ entspannt durch den Laden ging. Plötzlich zückte er sein Handy, telefonierte einige Sekunden und rannte los. Direkt durch die Kasse und zum Ausgang. Was mag da wohl passiert sein?
Eben, eine Stunde später, war er wieder da. Taxifahrer sei er und hatte plötzlich die Bestätigung für eine Fahrt bekommen. Jaaa, er hätte doch mal eben was sagen können, dann hätten wir doch die Sachen stehengelassen. Er nahm's zum Glück locker.
Zwei Kunden standen eben vor dem Leergutautomaten und befüllten ihn mit etlichen Bierflaschen. Ich hatte die beiden Herren beim Reinkommen schon gesehen und war mir 100%ig sicher, dass jeder von ihnen nur eine Tüte in jeder Hand hielt. Das Geräusch, das entsteht, wenn man leere Flaschen in einen leeren Rahmen einsortiert, kenne ich nur zu gut – doch genau dieses geräusch drang plötzlich durch die offenstehende Lagertür bis zu mir ins Büro.
Tatsächlich: Eine gefüllte Bierkiste hatten die beiden plötzlich vor sich auf dem Boden stehen. Noch während ich die Videoaufzeichnung zurücklaufen ließ, verschwand der Kasten im Automaten. Das Adrenalin begann zu fließen. Da, die Stelle, wo beide den Laden betreten. Keine Kiste. Da, die Getränkeabteilung. Einer der beiden geht durch die Gänge, nimmt eine leere Bierkiste und nimmt sie mit.
Das ist ja wohl!?! Wutentbrannt schaltete ich den Rekorder wieder in den Aufnahmemodus und lief zu den beiden Kunden, die in aller Seelenruhe ihren Einkauf tätigten.
Gut, dass ich sie nicht gleich angemacht habe. Wäre bei den beiden Stammkunden auch enttäuschend gewesen. Aber wer kann denn auch ahnen, dass er mit der leeren Kiste nicht direkt zum Leergutautomaten gegangen ist, sondern ganz regulär an der Kasse 1,50€ dafür bezahlt hat, bevor er der Einfachheit halber seine Flaschen hineinstellte...
Meine Kassiererin rief mich auf dem internen Telfon an: "Hier ist jemand, der Alkohol kaufen will, aber nicht so aussieht, als er ob er schon achtzehn wäre. Einen Ausweis hat er nicht dabei, aber er sagt, dass er dich kennen würde."
Ich lief nach vorne zur Kasse und musste dort feststellen, dass ich den jungen Mann zwar schonmal als Kunden gesehen habe, aber beim besten Willen keine Aussage über sein Alter machen könnte. Ich sah ihn mit großen Augen an und schüttelte den Kopf.
Daraufhin warf der Kunde ein: "Ihre Kollegin, die mit den dunklen Locken, die kennt mich und würde das sofort bestätigen, dass ich schon über achtzehn bin."
Ich war verwirrt: "Wir haben niemanden mit dunklen Locken."
Kunde: "Ich meinte doch die mit den langen, blonden Haaren."
Da reichtes es mir und es gab keinen Wodka für den Jungen.
Gerade eben hat mich die Frau, die ich nicht als Kundin identifizieren konnte und die letzten Mittwoch schon einmal hier war, hier im Laden angetroffen und direkt gefragt, ob ich ihr "mit 50€ aushelfen" könne.
Ich habe es natürlich nicht getan. Was erhofft die sich denn von der vielen Fragerei?
Auf dem Fußweg zur Firma hörte ich schon in der Seitenstraße ein mir auch aus der Entfernung sehr bekanntes Geräusch: Vor meinem Laden war einem Flaschensammler ein Müllsack voller Bier-Glasflaschen aufgeplatzt und die Flaschen verteilten sich auf dem Fußweg und rollten teilweise bis auf die Straße. Was für einen Krach dies machte, kann sich jeder vorstellen.
Als ich beim Laden ankam, war der Typ damit beschäftigt, die Flaschen aufzusammeln. Das ging nicht wirklich leise vonstatten und im Vorbeigehen wies ich ihn darauf hin, doch etwas leiser zu sein, da hier auch Anwohner gerne schlafen würden. Er sagte zwar ja, machte aber unbeirrt weiter und sortierte und klöterte.
Mein Mitarbeiter und ich wollten gerade in den Laden gehen, als ich noch einmal versuchte, den Flaschensammler zur Ruhe zu bringen: "Wenn hier nicht augenblicklich Ruhe ist, lasse ich Sie mit den Flaschen erst gar nicht in den Laden.", sagte ich. Immerhin mit Erfolg.
Immer wieder kommt es vor, dass Kunden Artikel haben wollen, die sie "schon immer hier gekauft haben", von denen ich aber genau weiß, dass wir sie entweder noch nie oder nur vor sehr langer Zeit mal im Sortiment hatten.
Wie erklärt man den Damen und Herren nur sanft, dass sie sich täuschen und im falschen Laden sind?
Ich hatte heute Vormittag ein paar Termine. In der Zeit kam eine ältere Frau in den Laden und verlangte, den Chef zu sprechen: "Ist Herr Hartke [sic!] da?" Meine Mitarbeiterin verneinte ordnungsgemäß, erkundigte sich aber dennoch nach dem Anliegen der Frau, die sie zurvor noch nie als Kundin gesehen hatte.
Nachdem sie etwas herumdruckste, erklärte sie, dass sie gerade vom Arzt kommen würde, ihr Portemonnaie aber zu Hause vergessen hätte und nun Geld bräuchte, um das Rezept in der Apotheke einzulösen. Ob sie sich bei uns Geld "bis morgen" ausleihen dürfte, fragte sie.
Prinzipiell: Nein. Aber bei Kunden habe ich schon, gegen Vorlage des Ausweises, Ausnahmen gemacht. Diese Frau hatte jedoch ihren Ausweis, vermutlich aufgrund der vergessenen Börse, nicht dabei und sie weigerte sich auch beharrlich, überhaupt ihren Namen zu nennen. "Dann müssen Sie wohl heute Nachmittag wiederkommen, wenn der Chef wieder im Hause ist. Ich kann und darf das jetzt nicht entscheiden.", antwortete meine Mitarbeiterin freundlich.
"Dann eben nicht!", entfuhr es der Frau, die sich auf dem Absatz umdrehte und den Laden ohne weitere Worte wieder verließ.
Anruf von der Kasse: Ein ec-Terminal ist mitten im Bezahlvorgang einfach ausgegangen. Der Kunde hatte noch seine PIN eingegeben und dann passierte nichts mehr. Das Display blieb dunkel und ein Ausdruck kam aus dem Gerät auch nicht heraus. Was tun?
Ich schlug meinem Mitarbeiter vor, dass er die Zahlung an einem anderen Terminal wiederholen sollte. Und wenn dem Kunden der Betrag tatsächlich zweimal abgebucht werden würde, was sich ja auf seinem Kontoauszug bemerkbar machen würde, bekäme er natürlich anstandslos das zu viel gezahlte Geld zurück.
Wenige Augenblicke später klingelte das Telefon erneut. Der Kunde war mit diesem Vorschlag ganz und gar nicht einverstanden und ich sollte doch bitte selber mit ihm reden.
Das tat ich dann auch und erklärte ihm noch einmal direkt, dass wir ja nun nicht wissen können, ob die Buchung erfolgt ist. Er hatte f+r diese Vorgehensweise überhaupt kein Verständnis und hat während des Gespräches und in den folgenden Minuten mindestens 15 mal das Wort "Kundenservice" erwähnt. Wenn die Zahlung nicht funktioniert hätte, sollten wir ihm einfach eine Rechnung schicken, aber zu verlangen, dass er ggf. mit seinem Kontoauszug herkommt, würde ja gar nicht gehen. Naja, das ist Ansichtssache.
Zum Glück fiel mir dann noch ein, dass ich mir ja die Übersicht der einzelnen Zahlungen aus dem Gerät ziehen könnte. Dieser Ausdruck dauerte aufgrund seines Umfangs leider ein paar Minuten, es fiel wieder mehrmals das Wort "Kundenservice", aber schließlich hatte ich es schwarz auf weiß: Die Zahlung ist nicht erfolgt. Alle Aufregung umsonst. Ich muss keine Rechnung schreiben und brauche einem mir unbekannten Kunden keine unbezahlte Ware mitzugeben.
Warum man sich wegen einer kleinen technischen Panne so sehr aufregt, verstehe ich sowieso nicht. Für mich war die Situation mindestens genauso unangenehm, wie für den Kunden. Aber immerhin weiß ich jetzt, dass ich meinen Job nicht richtig mache. Auch nicht schlecht.