Das Spiel Werder Bremen gegen Arminia Bielefeld steht jetzt (in der 71. Minute) bei 6:1. Daran wird sich wohl nicht mehr sehr viel ändern, aber das erklärt, warum es seit knapp 1,5 Stunden hier so absolut ruhig im Laden ist.
Wenn Werder gewinnt, dürfte hier in absehbarer Zeit Hochstimmung im Laden herrschen.
Ein Trio aus Heranwachsenden mit Migrationshintergrund schlich eben relativ lange durch den Laden. Sie guckten hier, gingen dorthin, fassten da was an, verteilten und gruppierten sich wieder und blickten bewusst in diese und jene Kamera. Wohl ohne zu wissen, dass ich sie schon seit mehreren Minuten durch eben diese beobachtete.
Während ich einen von ihnen beobachtete, gingen die anderen beiden in Richtung Getränkeabteilung und Leergutannahme. Da dort zu dem Zeitpunkt einige Kunden standen und Getränke generell nicht zu den diebstahlsgefährdeten Artikeln gehören (Von Spirituosen mal abgesehen, aber die stehen hier in einer anderen Gegend), beachtete ich die beiden nicht weiter.
Plötzlich hörte ich ein Rascheln im Lager. Ich sah aus der Tür, die beiden, die mitten im Lager standen, drehten sich um: "Sind Sie der Chef?"
Ihr könnt mal raten, wonach die beiden gefragt haben. Nein, kein Praktikumsplatz. Nach einem Nebenjob. Wovon träumen die? Dass ich mir hier dunkle Gestalten, denen ich kein Stück über den Weg traue und die in meinem Lager herumschleichen, freiwillig ins Haus hole?!?
Eine junge Frau stand eben an der Kasse und löste den Alarm der Warensicherungsanlage aus. Wie in solchen Fällen üblich eilte ich mit dem Handchecker nach vorne. Die Kundin trug eine relativ große Handtasche bei sich, welche sie mir auch prompt in die Hand drückte: "Hier, sie könne da gerne drin rumwühlen." Nee, wollte ich nicht. Mache ich nie alleine, auch nicht, wenn ich dazu aufgefordert werde.
Einige Sekunden später standen wir zu zweit am Packtisch. Inzwischen hatte ich schon herausgefunden, dass irgendetwas in oder an der Handtasche für den Alarm verantwortlich war und so stellte ich meine obligatorische Frage: "Haben Sie irgendetwas von Rossmann dabei?" Sie bejahte und öffnete die Tasche. Während wir beide hineinblickten, rührte sie in den Sachen herum und entschuldigte sich lachend: "Bisschen unordentlich. Bitte nicht weitersagen." Nein, mache ich nicht. Die Tasche war ziemlich voll und dabei tatsächlich recht wenig geordnet. Ein überdimensionales SchlampenSchlamperetui eben, typisch Damenhandtasche.
Zwei Teile von der Drogerie mit dem Zentauren im Firmenlogo waren tatsächlich mit noch aktiven Warensicherungsetiketten beklebt. Ich entwertete sie und die Kundin freute sich, dass sie nun endlich wieder Ruhe hat. Auch in anderen Läden hätte sie schon oft mit ihrer Handtasche den Alarm ausgelöst, aber nie konnte etwas gefunden werden...
Der letzte Beitrag hat mich an einen Fall erinnert, der hier, noch einige Zeit bevor ich überhaupt mit diesem Blog begonnen habe, passiert ist:
Im Nachbarhaus prügelten sich zwei Männer. Mindestens einer der beiden war stark alkoholisiert und genau dieser Mann schafft es, hier in den Laden zu kommen und nach Hilfe zu fragen.
Ich erinnere mich nicht mehr an jedes Detail, aber er blutete aus einigen Stellen, unter anderem waren seine Lippen aufgeschlagen. Ich rief einen Krankenwagen herbei und während wir darauf warteten, fragte mich der Typ, ob er sich kurz bei uns waschen dürfte. Er drufte, dann in der Situation wollte ich ihm die Hilfe nicht verweigern.
Aber glaubt mir: Ich habe es sehr bereut, ihn auf die Herrentoilette gelassen zu haben. In seinem Suffkopp hat er das Blut echt überall hingeschmiert: Waschbecken, Armaturen, Fußboden, Wände, Spiegel, Handtuchspender, Mülleimer, Seife, einfach auf alles.
Vor ein paar Tagen wollte ein Kunde wissen, ob er bei mir einen Gutschein für eine Kiste Bier kaufen könne. Spezielle Bierkistengutscheine habe ich natürlich nicht gehabt, aber "normale" Einkaufsgutscheine, in die ein Betrag eingetragen werden kann.
Im ersten Feld habe ich das Euro-Zeichen durchgestrichen und "1 Kiste Beck's" hingeschrieben. Im zweiten Feld sollte der Betrag in Worten eingetragen werden - dort habe ich mich dann für "1 Kiste Beck's" mit einem Smiley dahinter entschieden.
Eine alte und langjährige Stammkundin rief an und wollte Ware nach Hause geliefert bekommen haben. In der Vergangenheit kam sie immer persönlich her, aber das wird zukünftig wohl nicht mehr passieren. Sie erklärte mir:
Heute bin ich ausnahmsweise mal mit dem Fahrrad zur Firma gefahren. Nichtmal eine Minute war ich damit unterwegs. Deshalb laufe ich meistens zu Fuß, denn damit bin ich schneller, als das Rad erst herauszuholen und herzuradeln. Heute war der Hauptgedanke hinter der Fahrt auch, dass ich das Fahrrad wieder hier in der Firma stehen haben wollte.
Gewohnt zügig fuhr ich vor und hielt direkt vor dem Eingang an. Ein Fahrrad lehnte quer vor den Türen, ein Heranwachsender lehnte, auf seinem Fahrrad sitzend, an der Mauer neben dem Eingang. Da er sah dass ich recht schnell gefahren bin, nahm er wohl an, dass ich es ziemlich eilig hatte. Als ich den "Falschparker" beiseite stellte, versuchte er meiner scheinbaren Eile einen lockeren Spruch vorzuschieben:
Keine Hektik. Die machen erst in sechs Minuten auf.
Ich klärte ihn erstmal darüber auf, dass "die" niemals aufmachen werden, solange ich nicht hineinkomme.
Das Satzfragment "Scheißladen", dass ich vor einer knappen halben Stunde im Vorbeigehen von zwei Kunden aufgeschnappt habe, muss sich ja gar nicht auf uns beziehen. Wer weiß, worüber die geredet haben. Vielleicht haben sie ja sogar über die Mitbewerber gelästert.
Falls mein Laden doch gemeint gewesen sein soll: Warum machen die nicht einfach am Samstag Abend um halb zwölf woanders ihren Scheißeinkauf?
Eine Heranwachsende wollte Zigaretten kaufen. Da der Verkauf von Tabakwaren an nicht volljährige Personen seit Anfang September relativ illegal ist und meine Mitarbeiterin an der Kasse nicht mit Gewissheit sagen konnte, dass sie auch wirklich schon über 18 Jahre alt ist, erkundigte sie sich nach ihrem Ausweis. Sie hatte keinen dabei und musste folglich ohne die Räucherware wieder abziehen.
Kurze Zeit später kam ihre Mutter mit ihr im Schlepptau wieder her und regte sich tierisch darüber auf, dass wir ihrer einundzwanzigjährigen Tochter keine Zigaretten verkaufen würden.
Okay, aber: Wer in einem gewissen Alter noch deutlich jünger aussieht, weiß dies meistens und hat sowieso den Ausweis dabei. Aber dass Mama deswegen extra herkam, fand ich schon irgendwie bezeichnend.
Das von dem älteren Herren gesuchte Produkt war leider gerade ausverkauft. Ich entschuldigte mich bei ihm und schlug eine Alternative vor.
Seine Reaktion: "Ach, das macht doch nichts. Nichts ist für die Ewigkeit. Nichtmal ich."
Es war von ihm natürlich scherzhaft gemeint. Aber alte Leute entwickeln irgendwie erschreckend oft einen merkwürdig morbiden Umgang mit dem irgendwann unvermeidlichen Ende...
Ein Kunde und eine Kundin, offenbar Bekannte, hatten sich zufällig hier im Laden an der Kasse getroffen. Sie standen nicht hintereinander in der Schlange, sondern auf verschiedenen Seiten des Kassentisches. Das Gespräch entwickelte sich über den Mitarbeiter an der Kasse hinweg und beinhaltete etwa auch diese Passage:
Sie: Die Neustadt ist klein, es ist ja kein Wunder, dass man sich irgendwann über den Weg läuft.
Er: Bist du denn schon fertig? [Vermutlich mit dem Studium]
Sie: Schon lange.
Sie unterhielten sich noch über einige belanglose Dinge und unterschiedliche Bekannte. Schließlich kam von ihm:
Gerüchte gehen um, dass du Mutti geworden bist?
Sie: Ach, inzwischen schon das zweite Mal.
Er: Von wem denn?
Sie: Weiß ich nicht.
Meinem Mitarbeiter fiel es nach eigener Aussage sehr schwer, in diesem tennisgleichen Wortwechsel die Contenance zu wahren und anständig weiterzukassieren.
Einem Kunden war eine Flasche Bier heruntergefallen. Die Scherben lagen noch einige Minuten im Gang, in dem Moment kam eine Kundin dort entlang. Sie sah das Malheur, manövrierte um die Scherben herum und schnappte sich meinen Mitarbeiter, der bereits dabei war, einen Wischer zu besorgen, um ihn lautstark und möglichst unfreundlich darauf aufmerksam zu machen, dass es ein Unding wäre, dass Scherben auf dem Boden liegen würden und dass man sich daran die Schuhe kaputt machen würde.
Eine Kundin rief an und war sichtlich aufgeregt: "Ich glaube, ich habe mein Handy bei Ihnen im Laden liegen gelassen. Ich war eben bei Ihnen einkaufen und als ich zu Hause ankam, merkte ich, dass es nicht mehr da ist.
Sie erklärte mir, in welchem Regal sie das Telefon vermutlich liegengelassen hatte und während ich auf dem Weg dorthin war, kam mir eine Idee: Sagen Sie mir doch bitte mal die Nummer Ihres Handys. Wenn es hier irgenwo versteckt liegt, finden wir das dann sofort.
Inzwischen hatte ich die vermeintliche Stelle erreicht. Ein Handy lag dort nirgends und während ich darauf wartete, dass die Verbindung zum Telefon der Kundin aufgebaut wird, begann ich zu erzählen, dass es heutzutage leider schon Glückssache wäre, wenn jemand das Handy gefunden und nicht mitgenommen hätte.
Sie unterbrach mich freudestrahlend: Es klingelt hier bei mir. Moment. ... Ahhh, da ist es ja! Ich habe das gar nicht bei Ihnen vergessen, das hatte sich nur in meiner Tasche versteckt. ... Ich hatte schon solche Angst, aber nun ist alles wieder gut. Glück gehabt. Sowas schusseliges... Trotzdem ganz vielen Dank!!!