Ich dachte,
das hier wäre nur ein kurzer Gag gewesen, nach dem Lidl die Latschen verkauft hatte. Aber manche Leute scheinen sie wirklich für sich entdeckt zu haben.
Ein Kunde, der nach einer Weinberatung verlangt hatte, hielt in der Hand eine Flasche Rotwein mittlerer Preisklasse und beschrieb mir schließlich, was er suchen würde. Ich kenne inzwischen schon viele Weine aus unserem Sortiment (ALLE zu KENNEN ist ein ambitioniertes Ziel, wenn man aus einer Flasche nicht nur kosten und den Rest wegschütten möchte …
), aber den, den er in der Hand hielt, kannte ich nicht.
Nach dem ich eine Weile den Geschmack hinterfragt und die eine und andere Empfehlung ausgesprochen hatte, nahm er den, den er sowieso schon in der Hand hielt. Warum fragen die Leute eigentlich nach einer Beratung? Was
erwarten sie aus so einem Gespräch?
Das ist übrigens eine Situation, wie ich sie schon relativ häufig erlebt habe.
Eine Kundin suchte einen, ich zitiere, "hochwertigen
Vollrohrzucker".
Die Kollegin zeigt ihr die beiden Produkte in unserem Fairtrade-Regal, nach dem die Kundin den "Roh-Rohrzucker" aus dem normalen Nährmittelregal bereits ausgeschlossen hatte. Die beiden Fairtrade-Variationen (4,99 € und 6,29 € pro Packung) ließen die Kundin schlucken: "
SOO teuer?!"
"Ja, nun, sie fragten nach einem sehr hochwertigen Produkt, hier ist es. Vollrohrzucker aus fairem Handel und beide aus ökologischer Erzeugung."
"
Dass Sie hier überhaupt so ein Klientel haben …"
"Naja, haben wir, sonst hätten wir nicht so eine große Auswahl an Fairtrade-Produkten. Die Nachfrage ist bei uns definitiv da", erklärte die Kollegin ehrlich.
"
Schon klar, Angebot und Nachfrage. Aber ich komme aus dem #etepeteteviertel und ich dachte, die Leute, die hier leben und hier arbeiten haben nicht so viel Geld."
Gekauft hat sie den ach so teuren Zucker dann übrigens nicht.
Ich schreibe jetzt nicht, was die Kollegin in dem Moment gedacht hat. Hier lesen nämlich auch Minderjährige mit.
Ein kleiner Junge, vielleicht drei oder vier Jahre alt, sprang auf unserem Alublech herum, das wir am Eingang als Rampe für Anlieferungen benutzen. Das Blech lag dort gerade, denn unser Getränkelieferant stand vor der Tür und hat seine Paletten abgeladen, die er mit einem elektrischen Hubwagen bewegte und über das Blech in den Laden schob. So ein Fahrzeug wiegt mitsamt der geladenen Getränkepalette locker eine dreiviertel Tonne.
Der kleine Junge fand die schräge Fläche lustig und hüpfte darauf herum, während der Fahrer gerade auf der Ladefläche seines LKW stand und Ladung umsortierte.
Als die Mutter den Jungen auf dem Blech entdeckte, zog sie hin hektisch weg und ermahnte ihn, vorsichtig zu sein. Er soll da nicht so herumspringen, weil die Rampe kaputtgehen könnte.
Ich sagte dazu nichts und vielleicht war es tatsächlich nicht nur eine Ausrede / Notlüge, um den Jungen zum Weitergehen zu ermutigen. Oder sie dachte ernsthaft, dass seine vielleicht 20 kg da irgendeinen Schaden verursachen könnten und wollte kein Risiko eingehen. Natürlich wäre da nichts passiert, aber die Vorstellung, dass er da mit seinen kleinen Füßen eine Delle reintreten könnte, fand ich niedlich.
Da hockt man mit dem Bestellgerät in der Hand vor einem Regal, bewegt sich dabei langsam von rechts nach links, sortiert immer mal wieder was um und hält zwischendurch das Gerät piepsend vor ein Preisschild – und dann kommt eine Kundin an und fragt einen doch ernsthaft, um man hier arbeiten würde.
Natürlich habe ich diese Frage ehrlich mit "
Ja, wie kann ich Ihnen helfen?!" beantwortet, ist doch klar. Aber ich wette, das jedem einzelnen von euch da draußen noch viel mehr Antwortmöglichkeiten einfallen, als mir in dem Moment schon auf der Zunge lagen.
Eine Stammkundin kam ganz aufgelöst in den Laden. Sie hätte vor ein paar Minuten hier bezahlt und nun ist ihr Portemonnaie weg. Ob es hier liegengeblieben sei, wollte sie wissen.
Hellsehen können wir nicht, aber in der Videoaufzeichnung nachsehen. Wäre nicht das erste Mal, dass jemand seine Geldbörse hier liegen lässt und jemand anders sie dann einsteckt.
Aber dem war nicht so. Sie hatte ihre Sachen in die Umhängetasche gelegt, bezahlt und das Portemonnaie ebenfalls in die Tasche getan. Diese hing sie sich dann über die Schulter und verließ unverzüglich den Laden. Mehr konnten wir natürlich nicht sehen. Ich konnte ihr nur mit hundertprozentiger Sicherheit sagen, dass sie ihre Geldbörse mitgenommen hatte, zumal das Ding nicht klein war, fast schon eine Art Kellnerbörse.
Wo das abgeblieben ist? Weiß keiner so genau. Sie sagt, sie ist direkt nach Hause gelaufen, hat nicht irgendwo Pause gemacht, ist nicht mit den Öffis gefahren. Die Möglichkeit, dass ein Bösewicht ihr das Geld aus der Tasche geangelt habe, schloss sie definitiv aus.
Bleibt nur eine Möglichkeit: In einer anderen Dimension unseres Multiversums freuen sich ein paar uns unbekannte Lebensformen über die tollen Euros.
Eine Kundin war ganz geknickt, weil sich ein bestimmtes Produkt seit ein paar Tagen nicht mehr in unserem Sortiment befindet. Nicht nur, dass keine Ware mehr da ist, auch das Schild ist verschwunden, berichtete sie. Bei uns gibt es den nicht mehr und beim Mitbewerber und im Bio-Supermarkt würde sie die gewünschte Reismilch auch schon nicht mehr finden. Spontan vermutete ich, dass das Produkt vielleicht vom Hersteller gar nicht mehr produziert würde, aber auf deren Website ist die Milch noch drauf.
Also habe ich zunächst den Bio-Lieferanten angerufen, der uns für gewöhnlich mit dieser Ware beliefert. Klare Ansage: Haben sie aus dem Sortiment geworfen, da die Nachfrage allgemein zu gering war.
Aber wir haben ja noch weitere Bezugsquellen. Ein anderer Bio-Lieferant, mit dem wir nun auch schon seit ein paar Jahren zusammenarbeiten, hat den Artikel noch im Sortiment und auch vorrätig. Super! Ich freute ich mich und bestellte direkt am Telefon schon für unsere nächste Lieferung schon mal zwei Kartons vor.
Stolz auf mein kleines Erfolgserlebnis strahlte ich die Kundin an: "Können wir bekommen und sollte planmäßig ab nächster Woche Donnerstag wieder da sein. Früher klappt es leider nicht, da wir da feste Liefertage haben. "
Bei der jungen Dame kam jedoch gar keine große Freude auf. Sie wollte sich nämlich noch spontan mit etwas Vorrat eindecken, da sie nächste Woche Freitag wegzieht.