Echt interessant, was meine Kritik an dem Anschreiben für Reaktionen ausgelöst hat...
Ich wollte damit auch gar nicht die Bewerberin als solche kritisieren. Mir ist durchaus bewußt, daß eine gerade 15jährige überhaupt nicht in der Lage sein
kann, aus ihrem eigenen Erfahrungsfundes heraus perfekt formulierte und individuell gestaltete Anschreiben zu verfassen.
Mir ging es in der Tat um das Anschreiben als solches. Als lieblose Aneinanderreihung von Lehrbuch-Floskeln, die dem Verfasser sicherlich originell vorkommen - aber sich im Grunde von Bewerber zu Bewerber immer irgendwie gleich oder zumindest ähnlich sind und damit trotz des immer wieder geratenen "hervorheben, aber positiv" nur öde Massenware sind
Mich - als Personalverantwortlichen - sprechen in der Tat Bewerbungen an, die über das normale 0-8-15-Maß hinausgehen. Das ist, wie gesagt, zugegebenermaßen keine Übung für Berufsanfänger - aber darum geht es ja auch gerade gar nicht.
Ich habe hier mal eine Bewerbung eines Mannes, er müßte so Anfang 40 gewesen sein, bekommen, die einfach mal völlig anders war:
Das Anschreiben war handschriftlich verfaßt und nicht einmal frei von Rechtschreibfehlern. Der Text war unglaublich frei formuliert, der Bewerber schrieb ein paar Dinge aus seinem Leben und was er noch so vor hat und warum er sich bei mir bewirbt. Floskelfrei und selbstformuliert.
Das Foto war der Hit: Der Mensch saß auf einem schnörkeligen, mit vergoldeten Elementen verzierten, großen Holzstuhl und hat direkt in die Kamera gelächelt. Also ich meine
gelächelt und nicht "Mundwinkel zufällig nach oben gebogen".
Obwohl die gesamte Mappe wahrscheinlich bei vielen ganz unten im Stapel gelandet wäre, war ich unglaublich begeistert von dem Ding und habe ihn noch - und das ist kein Witz - am selben Tag angerufen und zu einem persönlichen Gespräch eingeladen.
(Es ist übrigens aus privaten Gründen bei ihm nichts aus dem Job geworden.)
Es ist aber auch unglaublich schwer, sowas pauschal zu bewerten. Bewerbungsunterlagen bewerte ich sehr subjektiv. Das funktioniert nicht einfach nach "Schema F". Manchmal sind's die kleinen persönlichen Noten, die eine Bewerbung erst interessant macht.