Eine Kundin beschwerte sich darüber, dass ihr "viel zu viel" abgezogen worden sei. Während sie ihr Anliegen vortrug, hielt sie mir einen Kassenbon vor die Nase, auf dem etwa dreißig Posten im Wert von zwischen 50 Cent und fünf Euro standen. Ich überflog das kurz und sagte der Frau, dass das stimmen dürfte. Es läppert sich nunmal…
"Na, DAS werde ich zu Hause nachrechnen!", zischte sie und stapfte wutentbrannt ab.
Derzeit verteilen wir wieder Ausmalbilder mit weihnachtlichen Motiven an die Kinder. Zurückgebrachte Bilder hängen wir wie immer an der Wand in unmittelbare Nähe zur Kasse auf und die kleinen Künstler (mal mehr mal weniger künstlerisch begabt) bekommen eine Kleinigkeit aus dem Süßwarenregal an der Kasse: Duplo, Kinderriegel oder ein anderes Produkt in der Preisklasse gibt es als Belohnung für die Mühe.
Reichlich erstaunt waren wir nun über ein kleines Mädchen, das ausdrücklich und ziemlich unverblümt seine Abneigung gegen Schokolade zeigte. Stattdessen machten wir sie mit einem Apfel glücklich.
Nicht aus reiner Willkür weigerte mich, einen Artikel zurückznehmen, den ein Kunde reklamierte. Die Diskussion wurde irgendwann zäher und er fragte mich, ob ich überhaupt jemals "Kontakt mit der Geschäftswelt" gehabt hätte.
Eine Kollegin unterhielt sich mit einem sehr alten Stammkunden. Ein sehr lieber Mann, dessen Frau vor ein paar Jahren gestorben ist und der seit dem immer alleine zum Einkauf kommt. Der Mann suchte Reis, aber einen leckeren und schön aromatischen.
Meine Mitarbeiterin empfahl ihm aus eigener Erfahrung einen Basmatireis und erwähnte auch gleich, dass die Packung mit 2,49€ allerdings auch nicht ganz günstig sei.
Die Antwort des Kunden war eine der Antworten, bei denen der im Hals herunterrutschende Kloß das herzhafte Lachen erstickt: "Ach, hörnsemal. Ich bin 92, ich habe den zweiten Weltkrieg und sogar Auschwitz überlebt. Da werde ich mir wohl eine Packung Reis für Zweineunundvierzig leisten können."
Ein Kunde suchte Zitronensaft. "Also richtigen Saft, nicht so eine Plörre. Und nicht so ein 0-8-15-Produkt, also schon etwas Vernünftiges. Ich koche nämlich heute Abend für ein paar Gäste."
Schließlich, nachdem ich ihm mehrere Sorten Zitronensaft in verschiedenen Größen gezeigt hatte, von der "E"-Handelsmarke bis hin zum Bio-Produkt mit "Demeter"-Logo, entschied er sich schließlich für die "Zitronenwürze" in den bekannten zitronenförmigen Plastikfläschchen. Zutaten: 20% Zitronensaft, Wasser, Zitronensäure. So viel zum "richtig guten Saft".
Ein Kunde wollte wissen, ob wir noch das normale Club Mate vorrätig hätten. "Nein", erklärte ich wahrheitsgemäß, "die haben momentan große Lieferschwierigkeiten und kommen nichtmal damit hinterher, unsere Großhändler zu beliefern. Den "Kraftstoff" könnte ich anbieten, der ist noch da. Ich persönlich mag den auch viel lieber."
Der Kunde bedankte sich, lehnte allerdings ab. Mit Vodka würde nur klassische Club Mate richtig gut schmecken.
Mit Vodka? Ich kann's mir ja nun ganz und gar nicht vorstellen, aber der geneigte Leser darf sich gerne herausgefordert fühlen, die Kombination mal anzutesten.
Die "Tatsache", dass man "überall betrogen wird" scheint sich im laufe der Zeit in den Köpfen der Leute festgesetzt zu haben und manifestiert sich ganz klar im Kaufverhalten: Sucht ein Kunde ein bestimmtes Produkt und empfiehlt man als Händler oder Verkäufer das teurere (weil man persönlich davon überzeugt ist, dass es einfach besser ist), wird dieses entweder unter irgendwelchen Ausreden liegengelassen oder nach dem Verkaufsgespräch heimlich gegen das günstigere ausgetauscht.
Es kann natürlich auch sein, dass tatsächlich jemand nicht die (meistens) nur wenige zehn Cent mehr für seinen Einkauf übrig hat – aber es ist nunmal so, dass bessere Produkte mehr Geld kosten.
Ich möchte an dieser Stelle mal ein Beispiel nennen, das hier tatsächlich im Markt häufiger auftaucht: Die mehr als doppelt so teure Kokosmilch aus dem Feinkostregal ist sämiger und intensiver als die günstigere, fast schon dünnflüssige Alternative und daher viel besser zum Kochen geeignet. Für den Mehrpreis bekommt der Kunde also einen kräftigeren Kokosgeschmack und keine verwässerte Currypfanne. Aber das ist, wie so oft, in den Wind gesprochen…