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Wieder einen zweiten Markt?

Vor ein paar Tagen hatten Silvan Theiss in diesem Kommentar gefragt:

Mal eine Frage: Würdest du wieder einen zweiten Markt übernehmen/bauen und wenn ja in welche Richtung würde das gehen (Edeka/Ecenter/anderes Ladenformat) Größe, Sortiment etc.?
Ich hatte daraufhin spontan wie knapp mit "Ganz klar nein" geantwortet.

An der Meinung hat sich in den letzten Tagen auch nichts geändert, aber ich würde das noch gerne etwas weiter ausführen.

Erstens brauche ich keinen weiteren Laden für mein Ego und zweitens brauche ich keinen weiteren Laden (oder weitere Läden) um mir einen Fuhrpark an Supersportwagen und diverse Anwesen rund um den Globus leisten zu können. Das nur mal aus der materiellen Betrachtungsweise. Wir haben unser Einkommen, leben ein gutes aber kein luxuriöses oder gar protziges Leben. Ich fahre ein 18 Jahre altes Auto, aber wenn wir essen gehen möchten, gehen wir essen und wenn ich mir ein neues Fahrrad kaufen möchte, mache ich das einfach. Das reicht mir aber auch an Luxus, irgendwelche Statussymbole lassen mich ziemlich kalt. Ich falle nicht ehrfürchtig auf die Knie, wenn an der Ampel neben mir jemand in seinem 250k€-Auto am Gaspedal spielt. Aber das sollte an dieser Stelle nur Nebensache sein.

Vor allem macht mir nämlich vieles keinen Spaß mehr. Damit meine ich nicht die Arbeit im Laden, die Ware, die Kunden, auch mal Ladendiebe und Idioten. Das ist toll, das ist der Grund, warum ich damals kein Studium sondern eine profane Ausbildung zum Kaufmann im Einzelhandel gemacht habe. Okay, die Diebe weniger, aber ich wusste ja, dass auch die dazu gehören. Der Job bei uns im Laden hat mir einfach Spaß gemacht. Ich liebe es, mich mit der Ware zu beschäftigen. Neuplatzierungen eines Sortimentes auf einem leeren Regalplatz gehen mir richtig leicht von der Hand – und eben auch alles, was sonst so "auf der Fläche" anfällt.

Der Spaßfaktor ist an ganz anderer Stelle kaputtgegangen, damit umso gewichtiger. Da könnte ich jetzt einen kleinen Blogeintrag einschieben, den ich schon lange schreiben wollte:

Anfangs fand ich "Corona" noch spannend. Als die Welt einer unbekannten Bedrohung gegenüber stand. Als die Leute zwischen einer lethargischen Mir-doch-egal-Einstellung und panischen Hamsterkäufen schwankten, als die Politik sich besondere Auflagen für uns in den Läden und das sonstige Leben ausdachte, sei es privat oder geschäftlich. "Es ist komisch und befremdlich", sagte ich. "Es ist sehr anstrengend", sagte ich auch. "Aber es ist mal faszinierend und spannend, so eine Situation mitzuerleben", habe ich auch gesagt.

Ernsthaft? Schon lange nervt es nur noch. Es gibt bis heute keine bundeseinheitlichen Regelungen. Jeder kann ständig zusehen, wie er die für sich gerade aktuell geltenden Gängeleien unter dem Damoklesschwert irgendwelcher Strafen gesetzeskonform umsetzt.

Inzwischen fiebere ich nur noch dem Augenblick entgegen, an dem hier wieder Normalität einkehrt.

Das sollte ein eigener Beitrag werden, die Notiz ist damit erledigt.

Und Corona mit all seinen Komplikationen für alle aber vor allem auch mich als Arbeitgeber ist nur ein Aspekt von vielen. Es sind inzwischen so viele Dinge hinzugekommen, um die man sich kümmern muss. Nicht kümmern "sollte", sondern unter Androhung von teilweise abartig hohen Strafen kümmern muss. Corona ist natürlich momentan omnipräsent. Aber es gibt noch die vielen anderen Dinge, bei denen man reinfallen kann: DSGVO, Berufsgenossenschaft, Bio-Zertifizierung, QS, Umweltschutz, Preisauszeichnung, technische Dinge, Lebensmittelüberwachung, Steuern, Personal. Das klingt alles harmlos, aber es reichen oft schon Kleinigkeiten, die einem Ärger bereiten können. In der Summe ist es sehr viel und nicht nur gefühlt hocke ich mehr im Büro als mich mich um meinen eigentlichen Job zu kümmern. Fast täglich taucht irgendetwas am Horizont auf, bei dem ich mich frage, wie ich das schon wieder umsetzen soll.

Ich finde das alles so unglaublich lästig und stimmungsvernebelnd, dass ich inzwischen ohne mit der Wimper zu zucken für immer Feierabend hier machen könnte. Wenn es finanziell geklärt wäre (Die Darlehen laufen noch und die Rentenversicherung möchte auch noch ein paar Jahre Geld von mir sehen) und auch sonst niemand (also vor allem meine Mitarbeiter) davon abhängen würde, könnte ich ohne Tränen in den Augen das Gewerbe hier abmelden. Keine Trauer, keine Familientradition, nichts. Gar nichts. So weit bin ich inzwischen.
Natürlich mache ich hier weiter und es ist ja auch immer noch schön. Aber so geil, dass ich jetzt unbedingt wieder einen zweiten Laden haben müsste, ist es nicht. Da spielen nicht einmal mehr die Dimensionen eine Rolle. Noch einmal so einen kleinen wie in Findorff (350qm) oder ein 4000qm-Center am Stadtrand – nichts davon würde mich locken.

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Kommentare

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Andreas aus Berlin am :

Ach je ... ich kann Dich gut verstehen. Daher sende ich Dir aus Berlin einfach 'mal nur herzliche Grüsse & viel Kraft und bedanke mich herzlich für die vielen tollen Blog-Einträge. :-)

Ich bins nur am :

Lieber Björn, diese Entwicklung, die dir als Supermarkteigentümer das Leben versauert, gibt es überall. Wir werden von Juristen regiert, die davon leben, alles immer komplizierter zu machen. Das geht in wirklich jeden Bereich.
Für jeden Blödsinn werden neue Gesetze erfunden, und das teilweise redundant. Man kann schon froh sein, wenn man noch überblickt, welche Gesetze für einen Sachverhalt maßgeblich sind.
Mein aktueller Liebling aus einem ganz anderen Bereich:
http://www.gesetze-im-internet.juris.de/saubfahrzeugbeschg/index.html
Ich habe nichts gegen saubere Fahrzeuge, und man lenkt ja den ganzen transportsektor ohnehin so, dass bald keiner mehr mit Benzin fahren wird, aber diesen Blödsinn hat keiner gebraucht.

Mitleser am :

Als ein Leser seit fast zu Beginn deines Blog verstehe ich dich, auch wenn Blogeinträge aus einem 4.000qm-Markt sicher auch interessant wären.

Du musst niemanden mehr was beweisen. Dein Hauptladen läuft, trotz der kleinen Fläche, auch Findorff lief doch sehr lange, wenn man die Entstehungsgeschichte dahinter kennt.

Achim und Picas und vielleicht auch den Onlineshop würde ich als "Erfahrung" abhaken, niemand ist frei von Fehlern und es kann mir kein Unternehmer erzählen, dass er nie Fehler gemacht hat.

Bei Corona dachte ich auch erst, das wird so was harmloses wie SARS und EHEC damals, wo nach 3 Monaten niemand mehr darüber spricht, aber jetzt geht es ins dritte Jahr und es geht mir genau so auf den Sack.

An dieser Stelle auch noch mal ein fettes DANKE für das jahrelange (oder jahrzehntelange :-D ?) bloggen mit vielen interessanten, aber auch skurrilen Beiträgen. Ich denke, ich rede für alle Leser, wenn wir uns wünschen, dass wir hier noch lange neue Beiträge lesen können!

Hans am :

Kann ich gut verstehen. Ich bin in der IT und zu mindestens 60% meiner Arbeitszeit beschäftige ich mich mit der Umsetzung in meinem Kontext sinnloser Richtlinien, die sich irgendwelche Theoretiker ausgedacht haben und die oft nichts, aber auch gar nichts besser machen.

Stefan am :

Oh wie dich verstehe und jedes Wort aus eigener Erfahrung nachvollziehen kann.

Stefan B. seit fast 30 Jahren selbstständig

Joachim Seitz am :

Das ist wirklich bedauerlich. Also nicht, dass du nicht reich werden willst, nein, ich meine, dass die ganzen Vorschriften und Regelungen den Spaß an der Arbeit auffressen.

ednong am :

Das wird wieder. Klingt blöde, ja, aber es wird ein danach geben. Und der Spaß wird zurückkommen.

Durchhalten. Und nicht zuviel aufregen.

Cliff am :

Oh Björn, du klingst so resigniert wie einige Einzelhändler in meiner Gegend (Bayerischer Wald). Einige haben schon hingeschmissen, und einige werden es während des bevorstehenden Winter-Lockdowns tun, da bin ich mir sicher bzw. weiß es aus erster Hand. Das war es dann, denn was einmal runtergefahren ist, das wissen wir Computerleute am besten, das fährst du nicht einfach mal aus dem Stand wieder hoch.

Christine am :

Ich kann das so sehr nachvollziehen, wie du dich fühlst. Man kommt vor lauter Dokumentieren nicht mehr zum Arbeiten. Geht anderen Berufen auch so, was es nicht besser macht und dich wahrscheinlich nicht tröstet.

Amsel am :

Das was Du beschreibst, ist genau das, was mich auch davon abhalten würde, mich selbstständig zu machen, wenn ich es nicht schon wäre. 2002, wo ich mich selbstständig gemacht habe, hat es noch richtig Spass gemacht. Momentan ist die hälfte der Zeit mit dem ausgefüllt, was Du beschrieben hast. Und als Onlinehändler gibt es da noch mehr Sachen, worauf man aufpassen muss. Dafür fallen ein paar weg, die Du als Offlinehändler hast. Aber im Großen und Ganzen ist es einfach nur noch lästig.

Flox am :

Auch wenn eine Zeit nach Einschränkungen wegen Corona kommen wird, das Problem ist ja der Wust an Regeln die aus diversen Richtungen auf Björn als selbständiger Unternehmer einprasseln und von ihm beachtet/umgesetzt werden müssen. Und da dürfte so schnell keine Entlastung kommen.

Panther am :

Das macht eben den Unterschied zum Arbeitnehmer aus. Das Wirken als Selbständiger hält durchaus nicht nur "spannende" Aufgaben, sondern auch solche Dinge wie angedeutet bereit.

Und nicht auf Björn bezogen: Diejenigen (umso lauter auftretenden), bei denen die "aktuellen Maßnahmen" das Fass zum Überlaufen bringen, waren für diese Art der Arbeit schlicht und ergreifend nie geeignet und haben sich vor der Entscheidung zur Selbständigigkeit nicht ausreichend über die damit notwendigen Pflichten informiert bzw. diese sogar gezielt ausgeblendet.

John Doe am :

Oh nein, ich muss mich an die Regeln halten

Anja am :

Blöde Frage wahrscheinlich, aber warum suchst du dir nicht einen Geschäftsführer? Jemanden, der nicht auf der Fläche ist und der dir den ganzen Verwaltungsrotz abnimmt. Der halt die Geschäfte führt. Die Recherche, das Telefonieren mit dem Steuerberater, was weiß ich was da so alles anfällt. Ich bin nicht selbstständig. Der nimmt dir nicht die Entscheidungen ab… Mein Chef (Handwerksmeister) hat das vor Jahren gemacht, steht jetzt wieder ganz viel selber in der Werkstatt und ist SO deutlich zufriedener, dass es sogar Stammkunden auffällt. Das ist doch der Vorteil am Chefsein. Man muss nicht nur delegieren, man darf es auch. Wenn dir die Arbeit auf der Fläche mehr Spaß macht, dann organisier dir alles was geht vom Hals, damit du dafür Zeit hast. Gibt doch genug, die eigentlich keinen Bock mehr haben auf die Fläche, aber richtig gut sind(oder werden können) in dem Bürokram. Oder körperlich einfach nicht mehr schleppen können/wollen. Und keine Selbstständigkeit wollen. Das Fachwissen aufgeben muss man ja trotzdem nicht. Und ganz los wirst du das Büro auch nicht, aber gib doch Aufgaben ab. Nur weil du Chef bist, musst du das nicht alles selbst ausarbeiten

ednong am :

Das wird sich bestimmt auch wieder ändern.

Vermutlich nicht so schnell wie es gekommen ist, ja, aber es wird sicher auch wieder etwas weniger werden.

Tim Landscheidt am :

IMHO steckt hinter der Regulierungswut durchaus (unbewusstes) System: Dadurch braucht man eine gewisse Unternehmensgröße, um effizient an dem Markt teilzunehmen, und als Politik/Verwaltung muss man sich dann nicht mehr mit Hunderttausenden quengelnden Selbständigen herumschlagen, so dass man da spiralförmig in einer Oligarchie landet. Ein gewisser innerer Abstand ist nicht verkehrt, und wenn die Finanzen stimmen, mindert das den Stress sehr :-).

Panther am :

Man muss auch erwähnen, dass "der Staat" mit einem Großteil der Kleingewerbetreibenden ohnehin mehr Aufwand hat, als jemals an Nutzen erzielt wird. Da hilft auch die beste "Regionalität" am Bedarf vorbeigehender Gewerbeideen nicht weiter ...

Stefan G. am :

Also mit mir hatte "der Staat" noch bis vor zwei Jahren nicht mehr Aufwand als meine - digitale - Steuererklärung entgegenzunehmen und das Geld vom Konto abzubuchen... Ich kann mir nicht vorstellen, wo das ein "Minusgeschäft" hätte sein können...

Alles danach ging nicht von mir aus, aber lästig bin ich "ihm" jetzt bestimmt :-)

ich bins nur am :

Quelle: Dem Panther sein Bauchgefühl.

Da ist es doch besser, wenn man alles irgendwelche optimierten Konzerne machen lässt, dann hat nur noch das Finanzamt von Luxemburg etwas zu tun, oder wie genau ist das gemeint?

Johnny Doe am :

"Man muss auch erwähnen, dass "der Staat" mit einem Großteil der Kleingewerbetreibenden ohnehin mehr Aufwand hat, als jemals an Nutzen erzielt wird".

Das kann ich mir nicht vorstellen. Der Staat wäre entlastet, wenn ein "Großteil der Kleingewerbetreibenden" arbeitslos wäre? Der einzige Aufwand, den ich dem Staat Im Zusammenhang mit meiner Selbstständigkeit aufbürde, ist die jährliche Entgegennahme meiner Steuererklärung.

Stefan am :

@Panther, Sorry das ist kpl daneben. Im Gegenzug mal schauen wo die Subventionen, Zuschüsse, Steuervergünstigungen hingehen. Ich denke die "Kleinen" würden da auch mal gerne was bekommen - aber das geht alles zu den Großen.

Silvan Theiss am :

Danke für die sehr ausführliche Antwort auch wenn die etwas traurig stimmt.

Grüße aus Dortmund

Panther am :

Ja ja, alles über der Onemanshow sind böse Heuschrecken mit Briefkasten direkt in der Steueroasen ... nun ja, wenns so einfach sein soll ;-)

Panther am :

Und beispielsweise die Steuererklärungen nimmt eine Maschine entgegen, die mit Luft und Liebe angetrieben wird, wo keinerlei Mitarbeiter beschäftigt sind und die sich von selbst im Gang hält. Und der Bearbeitungs-/Prüfungsaufwand lohnt sich natürlich im Verhältnis zu den geringen Gewinnen (so vorhanden) ...

Wer sagt eigentlich, dass diejenigen ansonsten "arbeitslos" wären? Und wer sagt eigentlich, dass sie es nicht trotzdem sind und/oder mit ihren "tollen Ideen" nicht eh bald an die Wand fahren?

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